Helsinki hat sich verrechnet

Indem Finnland von Griechenland Sicherheiten für seine Unterstützung zur Sanierung der griechischen Staatsfinanzen einfordert, schafft es in Europa einen gefährlichen Präzedenzfall. Die Zeitung Helsingin Sanomat beklagt, dass dies aus rein wahltaktischen Gründen geschehen sei.

Veröffentlicht am 26 August 2011 um 13:50

Das Durcheinander, das die Forderung ausgelöst hat, Sicherheiten für die Darlehen an Griechenland vorzuhalten, stellt eine absolute Ausnahme im üblichen Verhalten Finnlands innerhalb der Europäischen Union dar [Helsinki hat erreicht, dass Griechenland finanzielle Sicherheiten im Gegenzug für die Teilnahme Finnlands am Rettungspaket hinterlegt]. Das Finnland entgegengebrachte Vertrauen, die von ihm eingegangenen Kompromisse und das von ihm geschaffene Bild eines konstruktiven Erbauers und Anhängers der EU... all dies ist jetzt gefährdet.

Vielleicht ist es unnötig, eine Vergeltung der anderen EU-Staaten auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene zu befürchten, doch auf internationaler Bühne ist es wichtig zu wissen, wie die Handlungen eines jeden von den anderen aufgenommen werden. Finnland hat seine Machtstellung verloren: Es hat an Gewicht eingebüßt und sein Geschick, seine eigenen Interessen zu vertreten, hat ebenso abgenommen. Nicht nur das Bild Finnlands wurde durch diese Entscheidung beschädigt, sondern auch seine Verhandlungskompetenz.

Wenn der Ministerpräsident Jyrki Katainen (Mitglied der konservativen Nationalen Sammlungspartei) auf den europäischen Gipfeltreffen die Ziele Finnlands darstellt, wird er lange Zeit als der Repräsentant eines Landes gelten, dass die Sahne abschöpft und den Rest den anderen überlässt. Die Finanzministerin Jutta Urpilainen (Sozialdemokratin) wird als diejenige angesehen werden, die die Interessen ihres Landes über die der Gemeinschaft stellt.

Natürlich kann eine egoistische Hardliner-Einstellung, die alle anderen Sichtweisen ignoriert, manchmal von einem Land vertreten werden, wenn es sich dabei um ein gewichtiges Staatsinteresse handelt. Leider wurde dieser Weg in diesem Fall nur aufgrund kurzfristiger interner politischer Interessen eingeschlagen. Es ging lediglich darum, das Volk während der Wahlkampagne und der Bildung der Regierung [im Frühling] zufrieden zu stellen, um zu verhindern, dass die „Wahren Finnen“ [anti-europäische populistische Partei] einen Sieg davon tragen.

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Man kann sich wohl gut den Gemütszustand der finnischen Minister während der Verhandlungen mit Griechenland vorstellen: Hin- und hergerissen zwischen rationaler Vernunft und Richtigkeit auf der einen und den aktuellen politischen Erfordernissen auf der anderen Seite. In einer solchen Situation war der Gewinn der Sicherheiten für die Darlehen letztlich vielleicht das Beste, was passieren konnte. Doch es entspricht nicht den Einheitlichkeitsansprüchen der Europäischen Union. Die erwartete Antwort Europas blieb nicht aus: So geht es nicht.

Die Nationale Sammlungspartei ist von den Sicherheiten für die Darlehen mittlerweile weniger angetan, kann aber nur schwerlich ihre Position ändern, denn heftige Reaktionen von Seiten der Sozialdemokraten (SDP) wären zu erwarten und würden den Ministerpräsidenten schwächen. Katainen hatte nämlich die Sicherheiten gefordert, und zwar auch noch auf dem Gipfeltreffen.

Jetzt wo Kanzlerin Merkel das Abkommen zwischen Helsinki und Athen abgelehnt hat, gewinnt die Regierung Zeit, über eine Alternative nachzudenken. Dennoch kann sich Finnland der finanziellen Unterstützung für Griechenland nicht entziehen, denn dies würde auch anderen Ländern die Möglichkeit eröffnen, die aus innerpolitischen Gründen aussteigen wollen. Ein Rückzieher ist schwierig, wenn dieser gleichzeitig ein nationales und internationales Scheitern darstellt.

Meinung

Von der Gefahr eines Alleingangs

Finnland muss sich entscheiden, ob es sich voll auf europäischer Ebene engagieren oder im Abseits bleiben will. Ihrerseits müssen die politischen Machthaber klären, mit welcher Entscheidung die Interessen des Landes am besten gewahrt werden. Die Politiker müssen aufhören, blind dem von den Populisten angestrebten Weg zu folgen. Sie sollten klar und deutlich die Gründe dafür aufzeigen, warum es die beste Lösung ist, innerhalb eines Teams zu bleiben.

Die Zukunft der Europäischen Union hängt nicht von ihren distanzierten und allem Anschein nach angsteinflößenden Institutionen ab, sondern eher von den Mitgliedstaaten und deren Politikern. Finnland ist hierfür ein gutes Beispiel. Wir sind in Gefahr, wenn unsere politischen Machthaber sich hinter zweitrangigen Problemen wie den von Griechenland zu erbringenden Sicherheiten verstecken und sich nicht dafür einsetzen, den Finnen verständlich zu machen, dass ihr Wohlergehen vollständig davon abhängt, was im Rest der Welt geschieht. Ein heutiger Alleingang lässt uns morgen scheitern.

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