Hilfe, Assange-Fall bestätigt europäischen Haftbefehl!

Die Jagd auf den Mitbegründer von WikiLeaks, der in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht gesucht hat, hat zumindest gezeigt, dass der europäische Haftbefehl, auf dessen Grundlage ihn die britischen Behörden dingfest machen wollen, funktioniert. Dies scheint ein Redakteur des äußerst euroskeptischen Daily Telegraph zu bedauern.

Veröffentlicht am 22 August 2012 um 15:36

Auch wenn die Liste der Ärgernisse lang ist, verdrießt es an Julian Assange wohl am meisten, dass er Gefahr läuft, dem europäischen Haftbefehl(EuHB) zu einem positiven Image zu verhelfen. Wenn ich nicht unter Gedächtnisschwäche leide, hat keiner seiner Anhänger das beschleunigte Auslieferungssystem der EU kritisiert, als vor zehn Jahren darüber diskutiert wurde.

Eine Überraschung ist das kaum, denn die meisten von ihnen zählen zu den Leuten, die alles, was aus Brüssel kommt, mit Enthusiasmus unterstützen würden. Zweifellos betrachteten sie die Gegner eines gemeinsamen Rechtsraums in Europa als scheele Anti-Europäer. Aber vielleicht konnten wir dennoch einen Punkt davontragen.

Die Heuchelei um Assange hat dem Streit um den EuHB großen Schaden zugefügt. Inmitten von Klang und Wut um amerikanische „Hexenjagden“ und britische nachkolonialistische Schikanen dürfen wir das eigentliche Problem nicht vergessen: Es handelt sich hier um einen Mann, der versucht, der Auslieferung zu entgehen, da er ernsthafter sexueller Übergriffe beschuldigt wird.

Doppelte Strafbarkeit

Der Haftbefehl wurde 2010 von Schweden ausgestellt, und im Februar vergangenen Jahres wurde vom Amtsgericht Westminster die Übergabe von Assange angeordnet. Die Rechtsberater von Assange reichten eine Reihe von Anfechtungen ein, die bis zum Obersten Gerichtshof gelangten.

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Insbesondere stellten sie die Gültigkeit des Haftbefehls in Frage, da dieser von der Staatsanwaltschaft in Stockholm und nicht wie vom Auslieferungsgesetz aus dem Jahr 2003 gefordert von einem Richter ausgestellt wurde. Eine weitere Anfechtung seitens Assange bezieht sich darauf, dass er Aktivitäten beschuldigt wird, die in Großbritannien mitunter gar keine Verbrechen sind.

Nach dem britischen Gesetz war es eine grundlegende Schutzmaßnahme, dass niemand aufgrund eines Tatbestands, der vor Ort keine Straftat darstellt, an ein anderes Rechtssystem ausgeliefert wird. Es handelte sich um das Prinzip der sogenannten doppelten Strafbarkeit.

Mit Einführung des EuHB wurde dieses Prinzip durch eine Liste von 32 Straftaten ersetzt. Im Falle von Assange würden die Anschuldigungen auf jeden Fall auf ein Verbrechen schließen lassen. Der Haftbefehl für seine Festnahme enthält vier mutmaßliche Straftatbestände: einen der Kategorie rechtswidrige Nötigung, zwei der Kategorie sexuelle Belästigung und einen der Kategorie Vergewaltigung.

Kein Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit

Der grundlegendste Mangel des EuHB besteht darin, dass niemand befugt ist, zu entscheiden, ob Schweden die Auslieferung auf der Grundlage von Anscheinsbeweisen verlangt hat. Anhörungen werden als Formalität betrachtet, da das System davon ausgeht, dass die Rechtssysteme aller Unterzeichnerländer dieselben Absicherungen enthalten und auf gemeinsamen kulturellen Prioritäten basieren.

Das ist jedoch nicht der Fall, da es in den meisten Rechtssystemen des europäischen Kontinents kein Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit gibt. So ist es möglich, dass eine Person monate- oder jahrelang in Untersuchungshaft sitzt, während Ermittlungen stattfinden, bis schließlich Anklage erfolgt.

Das kann in Großbritannien nicht passieren. Bei der Umsetzung des EuHB hat die letzte Regierung auf einen wesentlichen Grundsatz des britischen Rechts verzichtet, was im Fall Assange erneut deutlich wurde. Ob er unter dem alten System ausgeliefert worden wäre, konnte Assange allerdings nicht testen.

Um eben dies zu tun, sollten seine Anwälte, sobald er sich der Polizei stellt (wozu er letzten Endes verpflichtet sein wird), einen Vorführungsbefehl zur Haftprüfung beantragen. Sollten sich die Gerichte weigern, diesem stattzugeben, werden wir sehen, in wieweit unser einstmaliger Schutz untergraben wurde.

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