Mogadischu, 15. August. Eine Gruppe von Hunger-Flüchtlingen steht Schlange im Hof eines Zentums für die Verteilung von Lebensmittelhilfen.

Hungersnot: So kann Europa helfen

Für lange Diskussionen ist es jetzt zu spät. Am Horn von Afrika ist die Lage inzwischen so ernst, dass Europa einschreiten muss. Zu allererst muss ein durch jahrzehntelange Bürgerkriege zerrissenes Land neu organisiert werden.

Veröffentlicht am 16 August 2011 um 15:26
Mogadischu, 15. August. Eine Gruppe von Hunger-Flüchtlingen steht Schlange im Hof eines Zentums für die Verteilung von Lebensmittelhilfen.

In Somalia herrscht nicht Armut, sondern Elend. Armut ist würdig, Elend entwürdigt. Es handelt sich um eine Kombination aus Gewalt, Chaos und Mangel. Hier muss gehandelt werden, nicht geredet. Somalia und seine Nachbarländer erwarten von Europa vier Dinge: erstens Organisation, d.h. eine Logistik, die das Überleben ermöglicht. Zweitens Ärzte und Medikamente. Drittens Polizeikräfte, die derzeit importiert werden müssen. Und nicht zuletzt Lebensmittel – und zwar nicht für eine Woche, sondern für ein Jahr.

Die Europäer, die heute Somalia helfen wollen, müssen Not, Krankheit, Hunger und extreme Gewalt in Kauf nehmen. Wenn sie jedoch an die Zukunft denken möchten, müssen sie dem Land Bildungseinrichtungen und Polizeikräfte zur Verfügung stellen, die diese schützt. Dabei ist der zeitliche Rahmen zu berücksichtigen: eine Ausbildung erfolgt hier nicht innerhalb von 20 Jahren, sondern dauert ein oder zwei Jahre. Besonders bei Ländern wie Somalia muss die Europäische Union Transparenz bieten, die jederzeit überprüft werden kann.

In der EU, die einen großen Teil der Entwicklungshilfe steuert, sind die Mittel überwiegend öffentlicher Herkunft, ganz im Gegensatz zu den USA. In den Niederlanden und den nordeuropäischen Ländern (Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland) ist der private Beitrag pro Einwohner fünf Mal höher als in Spanien und Portugal.

Paradoxerweise haben die Weltbank und der Internationale Währungsfonds seit den 1970er Jahren zur Zerstörung der Struktur der somalischen Gesellschaft beigetragen, indem sie versuchten, dem Land eine effiziente Struktur zu verleihen. Die Nahrungsmittelhilfe sorgte für ein ständiges Pendeln der Waagschalen. Europäer, Amerikaner und Japaner bemühten sich, ein Gleichgewicht zwischen dem Nomadenleben der Hirten und der sesshaften Landwirtschaft herzustellen. Das einzige Resultat war ein ständiges Schwinden der Staatskapazität. Dieses Übel breitet sich heute auf Kenia, Eritrea, Äthiopien und Dschibuti aus.

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In den Flüchtlingslagern um Mogadischu warten über 370.000 Opfer, und 160.000 weitere sind aus dem Land geflohen. Dabei sind viele von ihnen – besonders Frauen und Kinder – unterwegs verhungert oder verdurstet. Die europäische Luftbrücke funktioniert allerdings seit dem 27. Juli erfolgreich. Wie vor eineinhalb Jahren auf Haiti haben Amerikaner und Europäer beträchtliche Mengen an Medikamenten und Sanitätsmaterial geschickt.

Am wichtigsten ist jedoch, was wir bereits oben erwähnt haben: die ersten auf Organisation und Verteilung der lebensnotwendigen Güter spezialisierten Teams sind eingetroffen, und sie können das Überleben sichern, wenn Polizeikräfte zur Stelle sind, um sie zu schützen.

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