Eine unerwiderte Liebe. Brüssel, 3. Juli 2010, Eröffnungsspektakel der belgischen EU-Ratspräsidentschaft.

Ihr habt uns verraten, Eurokraten!

Die Europäische Union steht in den Meinungsumfragen ganz unten, wie das letzte Eurobarometer verrät. Nicht etwa die Anzahl der Euroskeptiker ist gestiegen, sondern vielmehr die der Verfechter der Integration. Die Kommission tritt auf der Stelle. Van Rompuy glänzt durch Abwesenheit. Auf, auf, ihr 27, Zeit zum Aufwachen!

Veröffentlicht am 27 August 2010 um 15:30
Eine unerwiderte Liebe. Brüssel, 3. Juli 2010, Eröffnungsspektakel der belgischen EU-Ratspräsidentschaft.

Wenn die EU ihre Bürger fragt, ob sie noch die schönste im ganzen Land ist, dann geben 49 Prozent – nur 49 Prozent! – die Antwort "Ja". Das letzte von der Kommission veröffentlichte [Eurobarometer](http:// ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb73/eb73_first_en.pdf)enthüllt die Tatsache, dass kaum mehr die Hälfte der Europäer findet, die Zugehörigkeit zur EU sei "eine gute Sache" für ihr Land. Seit 2004 war ihre Zahl nicht mehr unter die 50-Prozent-Grenze gefallen und 2008 gab es noch 58 Prozent Euro-Enthusiasten. Dies ist der tiefste Stand, seitdem Europa 27 Mitglieder zählt. Mit der absoluten Mehrheit ist es wohl vorläufig erst einmal vorbei.

Ist das eine Niederlage der EU? Ja, natürlich.

Eine Niederlage Europas? Durchaus nicht.

Ein Sieg der Euroskeptiker? Sie machen wohl Witze!

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In derselben Umfrage stellt sich nämlich heraus, dass ein zunehmender Wunsch nach einer Vereinigung und Konsolidierung der politischen Energie in Europa besteht. Immer mehr Menschen glauben, Europa müsse die rezessionsbedingten Probleme lösen. Drei Viertel der Europäer wollen mehr Koordination.

Viele Leute wüssten auch gerne besser Bescheid darüber, was Europa für sie tun kann, denn genau das erwarten sie. Es mögen zwar zahlreiche Europäer denken, Europa sei letztendlich doch nicht so "eine gute Sache", doch das kommt nicht etwa daher, dass sie gegen die Integration sind, sondern vielmehr fühlen sie sich von den 27 und deren Auffassung des Integrationsprojekts verraten. Sie verlangen mehr. Sie fühlen sich vernachlässigt, zugunsten der kleinen Machtspiele zwischen Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten. Sie wollen Bescheid wissen und mitmachen.

Mangelnder Dialog und Teamgeist

Was getan werden muss, ist ganz offensichtlich. Es darf nicht mehr der Eindruck vermittelt werden, es handle sich nur um ein simples Gesellschaftsspiel, wie es derzeit bei der Hohen Vertreterin für die gemeinsame Außenpolitik, Catherine Ashton, der Fall ist, die im Einvernehmen mit den 27 den neuen diplomatischen Dienst einführt.

Tatsächlich ist das Ganze ein Kommunikationsproblem, ein Problem der Ausdrucksweise Europas seinen Bürgern gegenüber und der Art, wie die Institutionen ihren Bruderkrieg führen. Es ist ein Problem der nationalen Herangehensweise, denn niemand will wirklich bis zum Ende in einem gemeinsamen Team arbeiten.

Der beste Beweis hierfür ist das, was den Roma in Frankreich widerfahren ist. Paris hat sie abgeschoben, denn Nicolas Sarkozys Popularitätswerte brauchen Auftrieb. Dann wurden sechs EU-Mitgliedsstaaten zu einem Gipfeltreffen über Immigration eingeladen, die Kommission und der Rat dabei jedoch übergangen. Die darüber verärgerte Kommission prangerte daraufhin die Risiken an, die bei fehlendem Dialog entstehen können, und erhielt im Gegenzug eine Einladung zum Pariser Gipfel. Nach diesem verkündete sie: "Unser Gefühl, dass die Roma-Frage nicht auf der Tagesordnung des von den Franzosen gewünschten Gipfels stand, hat sich bestätigt." Wie bitte?

Die Roma-Frage ist ein ernstes Problem. Einerseits weil es um Menschen geht, die beschützt und beruhigt werden müssen. Andererseits weil daraus auch ein Wiederansteigen der Mikrokriminalität erwachsen kann. Und letztendlich weil die Roma dieselben Rechte und Pflichten haben wie alle anderen Bürger auch.

Europa muss das Problem als kompakte Einheit angehen. Es muss eine Antwort geben für diejenigen, die ein konkreteres Europa wollen, für diejenigen, die mehr Sicherheit fordern, und für diejenigen, die Gleichheit für alle Bürger verlangen, unabhängig von Rasse, ethnischer Abstammung oder Religion.

Europa muss sich seiner Verantwortung stellen. Sonst wird es in den nächsten Meinungsumfragen noch weiter abfallen und diejenigen, die es lieben, werden es aufgeben.

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