Im Laden von Fina Rodríguez nimmt man gerne wieder die alte spanische Währung.

In Salvaterra de Miño ist die Peseta zurück

Angesichts der Krise haben die Einzelhändler dieser kleinen Kommune in Galizien beschlossen, wieder eine Zeit lang die alte Landeswährung zu akzeptieren. Und die Kunden, durch den alten Wechselkurs aus dem Jahr der Euro-Einführung 2002 angelockt, kommen in Scharen.

Veröffentlicht am 6 Januar 2012 um 14:31
Im Laden von Fina Rodríguez nimmt man gerne wieder die alte spanische Währung.

Noch am Tag zuvor kam eine Kundin mit den Taschen voller Peseten in den Salon von Ana Perez, Kosmetikerin in Salvaterra de Miño, einer Kleinstadt im Nordwesten Spaniens. “Sie hatte 30.000 dabei — umgerechnet 180 Euro. Für 20.000 hat sie hier drei Parfums gekauft, eins für sich, zwei zum Verschenken”, schmunzelt die junge Frau.

An diesem Dienstagmorgen, den 27. Dezember, ist es noch ruhig, doch seit dem Beginn der kuriosen Operation “Peseta” kommen Kunden aus dem ganzen Land in die Boutique von Frau Perez, denn seit dem 1. Oktober kann man in Salvaterra fast alles in der ehemaligen Landeswährung kaufen. Sogar Sammler kommen vorbei. “Hätten Sie nicht vielleicht einen alten Schein aus dem Jahr 1949?”

Wie Ana Perez jubeln auch die Optikerin Sandra Ameijeira Rivas, die Elektrohändlerin Fino Rodriguez, die ehemalige Friseurin und heute Mitinhaberin eines Restaurants Montse Ledo, sowie die rund fünfzig weiteren Gewerbetreibenden, die in Salvaterra an der Operation des Einzelhandelsverbands Unes teilnehmen.

Das kleine Örtchen am Ufer des Flusses Miño, das im Nebel Galiziens versinkt, leidet unter der Konkurrenz der Läden in der malerischen portugiesischen Kleinstadt Monçào, die nur ein paar hundert Meter entfernt ist. Für einen Einkauf in einem portugiesischen Supermarkt der Kette Continente muss man einfach nur eine Brücke überqueren.

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300.000 Pesetas in die Kasse

Für Frau Perez, deren Lebensgefährte arbeitslos ist, sind seit Beginn der Operation 300.000 Pesetas in die Kasse geflossen. Für sie ein mehr als willkommenes Zubrot. Seit der Eröffnung im Jahr 2008 ging das Geschäft eher schlecht als recht. Zuvor war Ana Perez als Kosmetikerin in der rund zwanzig Kilometer entfernten Stadt Vigo angestellt. Sie wollte sich selbständig machen und fand, dass Salvatore de Miño der ideale Standort dafür wäre.

Das Ort boomte damals. Es war die Rede von einem Mammut-Projekt mit Namen “Industrie-Pentagon”, das Firmen wie Mitsubishi oder Peugeot-Citroën anlocken sollte, um Vigo zu entlasten. Wohnblöcke, welche die Tausende von potentiellen Angestellten aufnehmen sollten, sprossen wie Pilze aus dem Boden. Der seit dreißig Jahren amtierende Bürgermeister Arturo Grandal Vaquiero glaubte schon, dass seine Träume von Größe endlich Wirklichkeit würden...

Doch Ende 2008 erfuhr Ana, dass die Dinge gar nicht so glatt gehen würden. Und nicht so schnell. Die Krise begann an Spanien zu nagen. Heute ist vom Projekt “Pentagon” nur noch ein Modell im Rathaus übrig. Der Bau von fünf Wohnhäusern wurde unterbrochen. Alles kam zum Stillstand.

Doch dank “Peseta” wurde das Dorf — zumindest für eine Weile — zum Lieblingsthema der Journalisten. “Der Erfolg hat unsere Erwartungen übertroffen”, notiert Pablo Pino, Präsident des Einzelhandelverbands Unes. Anfangs sollte die Operation einen Monat andauern. Zweimal schon wurde sie verlängert. Nun soll sie noch bis zum 31. Januar weitergehen.

Noch rund 1,7 Milliarden Peseten im Umlauf

Mit den Peseten, egal ob Münzen oder Scheine, sofern sie denn nach 1940 gedruckt wurden, kann man sich eine Kaffee, ein Parfum oder einen Fernseher gönnen... zum Wechselkurs von 2002, mit anderen Worten 1 Euro entspricht 166,368 Peseten. Die Händler haben eine Software, mit der sie sofort die Preise umrechnen können. Wechselgeld wird in Euro zurückgegeben.

Bis heute sind so rund eine Million Peseten nach Salvaterra geflossen. Und der Geldsegen, erklären die Geschäftsleute, sei ein “Plus”. Die Kunden seien keine Stammkunden: sie kämen aus Vigo oder von noch weiter weg, um die alten Scheine und Münzen einzutauschen, die in Wochenendhäusern, in Kisten oder in Omas Sparschwein gebunkert waren. Für manche war das Geld ein Souvenir, doch mit der Krise sei für Nostalgie kein Platz mehr, erklärt Pino. Die Optikerin Ameijeira Rivas war auf die Idee für die Initiative gekommen, als sie erfuhr, dass die spanische Notenbank schätzt, dass noch rund 1,7 Milliarden Peseten im Umlauf seien.

Dabei ist es im ganzen Land möglich, die alte Währung ohne zeitliche Begrenzung zu konvertieren. Doch scheint das die Spanier kaum zu interessieren. Oder sie wollen nur ungern kilometerweit fahren, um ihre “blonden” Peseten in Euro zu wechseln.

Vor dem Hintergrund der Eurokrise und der Befürchtung eines Endes der Gemeinschaftswährung, mutet die Initiative in Salvaterra seltsam an. Laut einer Umfrage des Real Instituto Elcano, schreibt El Paìs, denken 70 Prozent, dass die Einführung des Euro ihren Lebensstandard nicht verbessert habe. Unterstreicht eine derartige Operation zudem nicht nur, wie sehr die Preise mit dem Euro gestiegen sind, ohne dass die Gehälter folgten?

Ameijeira Rivas, wie alle anderen Einzelhändler des Verbands Unes, weist jeglichen böswilligen Hintergedanken von sich: “Wir wollten lediglich den Umsatz steigern und keinesfalls glauben machen, dass eine Rückkehr zur Peseta wünschenswert oder schlicht einfach sei. Und selbst wenn die Operation Monat für Monat verlängert wird, glaubt niemand hier, dass sie ewig andauern wird.”

“Außerdem bringen wir die Peseten nicht wieder in Umlauf, sondern tauschen sie in der Nationalbank um”, präzisiert Pablo Pino.

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