Moderne Architektur am Rheinauhafen in Köln (Robert Brands)

Köln schnuppert Zukunftsluft

Kein Zufall: Das seit Jahrhunderten renommierte Kölnisch Wasser profitierte von der idealen geographischen Lage der Ortschaft, die ihm seinen Namen gab. Cafébabel.com berichtet aus der Stadt, der wir das 4711-Wunder verdanken, und anderes.

Veröffentlicht am 23 Oktober 2009 um 11:40
Moderne Architektur am Rheinauhafen in Köln (Robert Brands)

Der Italiener Giovanni Maria Farina, Schöpfer des ersten Kölnisch Wasser, hat sich bestimmt schon mehrmals in seinem Grab herum gedreht. Obwohl er ein Parfüm mit dem Namen der Stadt entwickelt hat, in der er beschloss Karriere zu machen, ist seine Kreation heute berühmter als er. Tausend Mal kopiert, ist das berühmte Kölnisch Wasser zu einer Art Oberbegriff geworden: Es bezeichnet heute nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein leichtes Parfüm (es enthält wenig Essenzen), welches nur noch unsere Großmütter, so sagt man jedenfalls, gern tragen.

"Trotzdem sehen die Leute keine Verbindung zwischen dem Wasser und der Stadt", schätzt der derzeitige Geschäftsführer des Hauses Farina. Die Verwirrung durch die unzähligen Plagiate ist trotz jahrzehntelanger Prozesse noch immer nicht überwunden. Köln ist in den Flakons mit Kölnisch Wasser ertrunken. Heute ist der Dom, welcher sich gleich neben dem Haus des Parfümeurs befindet, das Wahrzeichen der Stadt, mit dem Köln und seine Tourismusexperten Werbung in Deutschland und außerhalb des Landes machen.

Mehr als sechs Millionen Besucher

So zieht die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Deutschlands sechs Millionen Besucher jährlich an. Davon sind fast 65% Deutsche - unschlagbar! Um den Tourismus anzukurbeln, hat sich Kölnfür eine grenzüberschreitende Strategie entschieden (vor allem in Partnerschaft mit Amsterdam und Brüssel, die eine sehr gute Zuganbindung haben) statt sich mit anderen deutschen Großstädten zu verbünden. Dies betrifft vor allem Hamburg und Frankfurt am Main, mit denen sich Köln regelmäßig um den dritten Platz auf der nationalen Rangliste streitet. "Wir ziehen mehr ausländische Touristen an als Hamburg, auch wenn wir uns international noch mehr öffnen müssen", bestätigt Claudia Neumann, PR-Verantwortliche bei Köln Tourismus. Neben seinem Dom hat Köln noch zwei weitere Pluspunkte: zahlreiche Geschäfte, die über 70% der Leute anziehen, die eine Nacht im Hotel verbringen (anlässlich der jährlich etwa 40 Messen zum Beispiel) und seinen Ruf einer äußerst offenen, entspannten und multikulturellen Stadt.

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Dieser "Charakter" wurde seit dem Mittelalter geprägt. Damals war die Stadt bereits ein wirtschaftlicher Knotenpunkt in Europa, ideal gelegen am Rhein und ausgestattet mit einem dichten Verkehrsnetz. "Im 18. Jahrhundert gehörte Köln zu keinem Reich und war keinem Staat untergeordnet. Daher war es sehr attraktiv als wirtschaftliche Drehscheibe", schätzt der Farina-Erbe. "Auch deshalb ist Köln keine klassische deutsche Stadt. Es war schon immer international ausgerichtet."

Ergebnis: 184 Nationalitäten leben zusammen in dieser jungen Stadt (die zweitgrößte Universität Deutschlands hat 60.000 Studenten) und 20 % der Bevölkerung sind ausländischer Herkunft. Victor Vogt ist verantwortlich für die internationalen Geschäfte bei der Kölner Industrie- und Handelskammer. "Die Leute hier sind ein Stück mehr italienisch als deutsch", beginnt er seinen Vortrag. Bezug nehmend auf den Ausdruck "Kölsche Klüngel" [bezieht sich auf den Köln eigenen Mangel an Transparenz; A.d.R.], ein lokaler Scherz, der die Neugierde der Besucher schürt, erklärt er, dass man sich in Köln "ein Stück von dem Klischee entfernt, nach dem alle Deutschen rechtschaffend und effektiv seien. So sind die Leute hier nicht. Vielleicht gibt das auch nicht immer das beste Bild ab."

Im Rennen um deutsche Medienhauptstadt

"Köln spürt die Folgen der globalen Rezession, weil sich sein BIP zu 50% auf Exporte stützt. Aber die Unternehmen des Dienstleistungssektors (Versicherungen, Medien, Informationstechnologien) machen das wieder wett." Mit Blick auf die USA, nachdem man Beziehungen zu den Partnerstädten in China und Indien aufgebaut hat, "entwickeln wir eine neue Strategie, um die Stadt als Geschäftsstandort zu präsentieren, vor allem in Europa und auf der anderen Seite des Atlantiks", fährt Victor Vogt fort. Natürlich kann Köln nicht allein gegenüber Paris oder London bestehen. "Um konkurrenzfähig zu sein, müssen wir uns mit unseren Nachbarstädten Düsseldorf und Bonn zusammen tun. In unserer Region haben sich schon viele internationale Akteure niedergelassen."

Seien es nun der Chemiesektor, welcher der größte Arbeitgeber in der Region ist, die Automobilindustrie, welche in großen Schwierigkeiten steckt, die Ingenieurbranche oder die zahlreichen Radio- und Fernsehstationen, die aus Köln die deutsche Medienhauptstadt machen: Die Strategie Kölns besteht darin "sich nicht als einen billigen Geschäftsstandort zur verkaufen". Zurzeit ragen am Ufer des Rheins Kräne neben unfertigen Monstern aus Stahl und Beton in die Höhe. Bald schon sollen hier Büros mit Blick auf den Fluss stehen.

Nur erste Wahl - dieser Strategie will auch das Haus Farina folgen. "Luxus ist eine Nische. Es stimmt, dass sich nicht jeder unser Parfüm leisten kann", führt Johann Maria Farina fort, welcher 50 Angestellte beschäftigt. Echt Kölnisch Wasser, das es seit 1792 gibt, ist der unangefochtene Herausforderer der Familie Farina und rühmt sich damit, seine Flakons in über 60 Länder zu exportieren. Am Ende entscheidet aber immer noch die Nase...

von Jane Mery

Übersetzung: Alexandra Schade (cafebabel.com)

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