Sebastopol (Krim), eine Demonstration gegen die Präsenz der russischen Flotte am 27. April

Kurswechsel in Kiew

Die russische Flotte bleibt weiterhin auf der Krim. Im Gegenzug dafür erhält die Ukraine billiges Gas. Das Abkommen zwischen Kiew und Moskau, dem das ukrainische Parlament am 27. April zugestimmt hat, löst in der europäischen Presselandschaft verschiedenste Reaktionen aus. Sorgen bereitet vor allem, dass sich die Ukrainer von der EU abwenden könnten.

Veröffentlicht am 28 April 2010 um 15:59
Sebastopol (Krim), eine Demonstration gegen die Präsenz der russischen Flotte am 27. April

"Dass man sich darauf einigen konnte, die Stationierung der russischen Flotte auf der Krim für weitere 25 Jahre zu akzeptieren, gleicht einer Zeitbombe“, schreibt die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita auf ihrem Titelblatt. Äußerst chaotisch soll die Stimmunggewesen sein, als das Parlament der Ukraine dem Abkommen am 27. April zustimmte. "Gegenwärtig wird die Abhängigkeit der Ukraine von Russland immer stärker“, kommentiert Rzeczpospolita, für die das militärische Abkommen "das Ende der ukrainischen Souveränität besiegelt“. Die Tageszeitung betont, dass die Regierung der Ukraine den russischen Mietvertrag für die Krim nur verlängert hat, weil es dafür nun 30 % weniger für russisches Gas zahlt. Dennoch rief man die Europäische Union und die westliche Bevölkerung dazu auf, nicht mit ihren Integrationsbemühungen zu geizen und die Ukraine so bald wie möglich in "ihr westliches Gebilde“ aufzunehmen, indem sie es zur EU beitreten lässt. Sollte dies nicht geschehen, so sei das Land „für die kommenden Generationen“ allein von Russland abhängig, warnt Rzeczpospolita und mahnt: "Noch ist die Ukraine nicht tot. Auch wenn sie sich gerade den Strick um den Hals gelegt hat.

Seinerseitsberichtet Le Monde darüber, dass die Europäer die Annäherung zwischen Kiew und Moskau aus nächster Nähe verfolgen und "mit einer gewissen Erleichterung feststellen, dass das auserwählte Land Signale in beide Richtungen sendet. So versucht es seine Beziehungen zu Moskau zu festigen, ohne sich dabei von den europäischen Hauptstädten vollständig abzuschirmen. [...] Die siebenundzwanzig Länder haben wohl bemerkt, dass Wiktor Janukowytschs erste Reise nach seiner Wahl zum Präsidenten ihn [Anfang März] nach Brüssel – und nicht nach Moskau – führte.“ Die Zeitung betont auch, dass sich Janukowytsch in dem Moment, in dem das ukrainische Parlament über das Militär- und Gasabkommen abstimmte, in Straßburg weilte und dort betonte, wie wichtig den Ukrainern die Beziehungen zu Europa sind. "Jedoch sind die Europäer über die Möglichkeit eines eventuellen Beitritts der Ukraine zur Union geteilter Meinung“, stellt Le Monde fest. "Während Polen und Briten einen möglichen Beitritt der Ukraine unterstützen, vermeiden die Deutschen und die Franzosen diesbezüglich irgendwelche Versprechungen zu machen“.

Vor Ort beschränkt sich der russische Vorstoß auf ukrainischem Boden allerdings nicht allein auf Militär- und Gasabkommen, meint Hospodářské noviny. "Der Ukrainer ist tot. Es lebe der Russe “, titelt die tschechische Tageszeitung. Sie weist beispielsweise darauf hin, dass die russische Sprache immer häufiger verwendet wird, seit Wiktor Janukowytsch sein Amt angetreten hat – ganz besonders in den staatlichen Medien und den Universitäten. "Zu verdanken ist das dem neuen ukrainischen Bildungsminister Dmytro Tabatschnyk, der sich mit seinen spitzen Bemerkungen gegenüber den Westukrainern einen Namen gemacht hat“, berichtet die Zeitung.

Sie erinnert auch daran, dass "die ukrainische Sprache während der sowjetischen Ära nur ganz am Rande der Gesellschaft existierte“. Erst seit der Zersplitterung der UdSSR konnte sie sich nach und nach wieder durchsetzen. Heute "ist die Erweiterung des russischen Informationsraumes die wirklich letzte Sache, die die Ukraine nötig hat“.

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