Mit der Palermo-Klimaerklärung fordern Bürger aus ganz Europa die COP26 (erneut) zu dringendem Handeln auf

Wenige Tage vor der Eröffnung der COP26 versammelten sich Bürger aus ganz Europa im italienischen Palermo, um die Transnationale Erklärung von Palermo gegen die Klimakatastrophe fertigzustellen. Darin fordern sie die COP26 auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden. Ferner verlangen sie eine Demokratisierung des globalen Ansatzes zur Bekämpfung des Klimawandels.

Veröffentlicht am 29 November 2021 um 14:52

Die „Palermo-Klimaerklärung“ ist der Höhepunkt eines partizipativen Prozesses, an dem mehr als 20 lokale Bürgerversammlungen beteiligt waren, die im Laufe des Jahres 2021 in der gesamten Europäischen Union stattfanden.

Bürgerversammlungen werden auf dem ganzen Kontinent immer beliebter: So engagieren die Menschen sich auch außerhalb der traditionellen Wahlen. Allerdings wurden bisher nur wenige so erfolgreich und in einem derart großen transnationalen Rahmen durchgeführt.

Die Versammlungen – die den Klimawandel in den Mittelpunkt der Diskussionen über die Zukunft Europas gestellt haben -–wurden von European Alternatives und Citizens Takeover Europe organisiert.

Bürgervertreter der lokalen Bürgerversammlungen, die in über 14 Ländern in ganz Europa stattfanden, schlossen sich zusammen, um eine europaweite Reihe von Schlüsselempfehlungen zu erarbeiten. Die Grundlage dafür bieten die auf nationaler Ebene geführten unabhängigen Bürgerdiskussionen zur Verhinderung von Umweltkatastrophen.

Zu den Teilnehmern gehörten auch Jugendvertreter ab 17 Jahren, die maßgeblich an der Ausarbeitung der endgültigen Palermo-Klimaerklärung beteiligt waren, die am 13. November einem Gremium vorgestellt wurde, dem auch der Aktivist und ehemalige italienische Europaabgeordnete Marco Cappato angehörte.

Die Palermo-Klimaerklärung wurde im Rahmen der Konferenz über die Zukunft Europas erstellt.


Klima-Erklärung von Palermo

Die Klimakatastrophe vermeiden

Wir, die Transnationale Versammlung von Palermo, d. h. Menschen, die sich im Anschluss an 20 lokale Versammlungen in allen Teilen Europas zusammengefunden haben, erkennen die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels auf unser Leben und die biologische Vielfalt auf unserem Planeten an.

Das Leben auf einem sicheren und gesunden Planeten ist ein Grundrecht für alle Menschen und für künftige Generationen. Da es nicht gelungen ist, benachteiligte Gruppen und die Jugend in die Klimafolgen einzubeziehen und sie vor ihnen zu schützen, muss die Demokratie neu aufgebaut werden, um die Macht der Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Gemeinschaften an vorderster Front in den Mittelpunkt zu stellen.

Dringend müssen wir die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren, in die Entwicklung neuer Technologien und grüner öffentlicher Infrastrukturen investieren, die begrenzten Ressourcen, die wir haben, erhalten, und die Umweltzerstörung als Verbrechen gegen die Menschheit und die Natur anerkennen. Politische Maßnahmen müssen die soziale Gerechtigkeit und die Rechte der Natur berücksichtigen, dringend umgesetzt werden und effiziente Ziele erreichen.

Daher sollten wir uns bei der Suche nach Lösungen von folgenden Grundsätzen leiten lassen:

  1. Marginalisierte Gruppen, Arbeitnehmer und Jugendliche müssen in die Entwicklung der Klimapolitik auf sinnvolle und effektive Weise einbezogen werden.

2. Feminismus, Antirassismus und Antidiskriminierung sind Kernprinzipien jeder Klimapolitik.

3. Menschen und Natur dürfen nicht wie Ressourcen behandelt werden, die abgebaut werden müssen: Unsere Menschen und unser Planet müssen Vorrang vor Profit und Umweltverschmutzung haben.

4. Niemand sollte in der ökologischen Wende zurückgelassen werden, und jeder sollte dabei eine politische Stimme haben. Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne soziale Gerechtigkeit.

5. Demokratie, Transparenz, Rechenschaftspflicht und Verantwortung sollten die treibenden Kräfte hinter der Revolution unseres extraktiven und ausbeuterischen Wirtschaftssystems sein.

6. Die Bürgerinnen und Bürger sollten durch Bürgerversammlungen und direkte Demokratie rechtlich verbindlich an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden: Nur das Volk kann die raschen und drastischen Veränderungen herbeiführen, die angesichts unserer umweltschädlichen Praktiken erforderlich sind.

7. Umweltsünder müssen für die Verschmutzung zahlen, und zwar so, dass die rasche Umstellung unseres Wirtschaftssystems weg von umweltverschmutzenden Industrien hin zu sozialer und ökologischer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit gewährleistet wird.

8. Die Steuerlast in unseren Gesellschaften muss von der Besteuerung der Arbeit auf die Besteuerung von Industrien, die natürliche Ressourcen verbrauchen, verlagert werden.

9. Die Kreislaufwirtschaft muss überall gelten und Abfälle müssen auf ein Minimum reduziert werden. Wiederverwendung, Reparatur und Recycling müssen die Norm sein.

10. Bewusstseinsbildung und politische Bildung über Klimafragen und demokratische Prozesse sind eine Voraussetzung für die Änderung des Status quo. Das Erlernen des respektvollen Umgangs mit dem Planeten sollte Teil des Pflichtunterrichts in Schulen sein.

11. Die Bewältigung des Klimawandels erfordert sofortige politische Reaktionen und kann nicht nur der Verantwortung des Einzelnen überlassen werden. Klimaverträge müssen verbindlich sein und Länder, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, müssen mit Sanktionen rechnen.

12. Energie ist ein Gemeingut in öffentlichem Besitz. Es muss sichergestellt werden,  dass ein global gerechter und nachhaltiger Übergang stattfindet.

13. Wasser und Luft sind Gemeingüter der Menschheit, die nicht privatisiert werden dürfen und gesetzlich geschützt werden müssen.

14. Die Kenntnisse von Gemeinschaften, die wissen, wie man Land rekultiviert, die Natur revitalisiert und Lebensmittel auf nachhaltige Weise produziert, müssen respektvoll berücksichtigt werden.

15. Es muss in Wissenschaft, Forschung und Technologie investiert werden, um den Klimawandel und seine Auswirkungen zu verstehen, zu verhindern und zu bekämpfen. Alle politischen Maßnahmen müssen auf dem wissenschaftlichen Konsens aufbauen.

16. Das Klima-Asyl sollte anerkannt werden und jeder sollte das Recht haben, seinen Wohnort zu wählen.

17. Europa trägt eine historische Verantwortung für die globale Erwärmung, aufgrund der Industrialisierung, sowie der ökologischen und menschlichen Zerstörung durch Kapitalismus und Kolonialismus: Europa muss eine globale Führungsrolle übernehmen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Welt fördern. Es muss seine historischen Fehler anerkennen und Reparationsmaßnahmen ergreifen.

Wir alle wissen, dass die Abwendung einer Klimakatastrophe dringendes Handeln erfordert: Die Menschen und Bürger müssen die politische Führung jetzt übernehmen und eine bessere Welt aufbauen, auch mithilfe der nun verfügbaren und neuen Instrumente der partizipativen und direkten Demokratie - durch, mit und für das Volk!

Die Konferenz über die Zukunft Europas muss sicherstellen, dass die EU im Einklang mit diesen Grundsätzen handelt und einen neuen Kurs einschlägt: Ziel ist eine demokratische, gerechte und nachhaltige Welt.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: m.cillero@euroalter.com , o.masson@euroalter.com


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