Dem Präsidenten dienen: Baumwollernte in der Region Xorazm, im Nordwesten Usbekistans.

Mit Kindersklaven im Geschäft

Jeden Herbst werden in Usbekistan Kinder zur Baumwollernte gezwungen. Auch europäische Firmen profitieren von dieser Verletzung der Menschenrechte. Aber die Regierungen, allen voran die deutsche, zeigen kein Interesse, ihren Unternehmen die Zügel anzulegen.

Veröffentlicht am 29 Oktober 2010 um 13:12
AHRCA.org  | Dem Präsidenten dienen: Baumwollernte in der Region Xorazm, im Nordwesten Usbekistans.

Die usbekischen Sommerferien beginnen, wenn die Wärme schwindet, Mitte September. Sie dauern gut zwei Monate, doch viele Schüler sehen ihre Eltern in dieser Zeit kaum. Die Kinder müssen ihrem Land dienen und Baumwolle pflücken. Zur Erntezeit vollzieht sich in der zentralasiatischen Republik ein obskures Ritual sowjetischer Kommandowirtschaft: Präsident Islam Karimow lässt die Massen mobilisieren. Etwa zwei Millionen Schüler werden dann zum Feldeinsatz befohlen, um das „weiße Gold“ - wie die Baumwolle schon zu Stalin-Zeiten hieß - zu ernten. Neben Gas und Gold ist sie eine der wichtigsten Devisenquellen für die usbekische Elite. Im Moment ist Baumwolle so teuer wie noch nie.

Die pflückenden Kinder profitieren davon nicht. Bei ihrem letzten Feldeinsatz im vergangenen Herbst war Nasira elf Jahre alt. Morgens um sieben zog sie mit ihrer Klasse los. Pflücken mussten sie bis zum frühen Abend, einen Monat lang. Zehn Kilogramm sollten sie pro Tag zusammenbekommen – „ich hab mit Ach und Krach drei Kilo geschafft“, berichtet Nasira. Ihr Lohn: 60 Sum pro Kilo, das sind umgerechnet drei Cent. Etwas ältere Schüler kamen noch schlechter weg. Lehrer behielten ihre Monatslöhne einfach ein. Wer die Norm nicht schaffte, wurde auch geschlagen. Im Oktober 2008 erhängte sich eine 17-jährige Studentin am Rande eines Baumwollfeldes. Sie habe den Druck ihrer Lehrer nicht mehr ausgehalten, hieß es in einer neun Zeilen langen Meldung.

Was in dem Land geschehe, sei nichts anderes als „Kindersklaverei“, sagt Joanna Ewart-James. Sie arbeitet bei „Anti-Slavery International“. Vor kurzem besuchte die Aktivistin internationale Baumwollkonferenzen in Texas und Liverpool. Große Händler wie die Schweizer Reinhart-Gruppe oder das Bremer Unternehmen Otto Stadtlander waren vertreten, doch auf Fragen nach Kinderarbeit wurde Ewart-James nur belächelt. Die gute Stimmung der Branche könnte jetzt etwas getrübt werden: Gegen sieben europäische Baumwollhändler ist Beschwerde bei der OECD eingelegt worden. Die Firmen, so der Vorwurf, verstießen mit ihrem Profit aus usbekischer Kinderarbeit gegen OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Zum Artikel auf Spiegel-Online...

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