Analyse Voices of Europe 2024 | Portugal

Der Mythos der portugiesischen Ausnahme ist beendet

Die portugiesische Wählerschaft wird ihre Vertreter*innen in Brüssel wählen, nachdem sie erst drei Monate zuvor für den Aufstieg der rechtsextremen Chega-Fraktion im Parlament gesorgt hat. Die neue Partei ist ein halbes Jahrhundert nach der demokratischen Revolution in Portugal auf dem Vormarsch.

Veröffentlicht am 17 April 2024 um 10:22
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In dem Jahr, in dem sich der demokratische Aufstand zum 50. Mal jährt, wählten die Portugies*innen 50 Abgeordnete der rechtsextremen Partei Chega, die sich auf die Nostalgie der Salazar-Diktatur beruft. Diese Koinzidenz zwischen dem halben Jahrhundert der Nelkenrevolution und den 50 Abgeordneten der Chega ist symbolisch, lädt aber unweigerlich zur Interpretation ein.

Vor allem räumt die Situation endgültig mit dem Mythos der portugiesischen Ausnahme auf, mit der Vorstellung, dass Portugal irgendwie immun ist gegen den Aufstieg der extremen Rechten, den wir in Europa und der ganzen Welt beobachten. Es stellte sich heraus, dass es nur eine Frage der Zeit war – das Phänomen musste irgendwann auch in Portugal ankommen.

Im Jahr 2019, dem Gründungsjahr der Chega, wurde nur ein einziger Abgeordneter gewählt – André Ventura, ihr langjähriger Vorsitzender und ehemaliger Chef der sozialdemokratischen Mitte-Rechts-Partei (PSD). Bei den Parlamentswahlen 2022 stieg die Zahl ihrer Abgeordneten auf 12. Und am 10. März, ebenfalls bei vorgezogenen Wahlen, konnte die Chega ihre Parlamentssitze mehr als vervierfachen. Der Flirt der rechtsextremen Partei mit der ehemaligen Diktatur nahm auf einem Parteitag Ende 2021, kurz vor den vorletzten Parlamentswahlen, Gestalt an, als Ventura das salazaristische Motto „Gott, Heimat und Familie“ wieder aufgriff und verkündete: „Wir sind die Partei Gottes, des Vaterlandes, der Familie … und der Arbeit“.

Die bevorstehende Wahl zum EU-Parlament findet also nur drei Monate nach den Parlamentswahlen statt, und so sind die Portugies*innen mit Fragen der Regierungsführung und der Koalitionsbildung beschäftigt. Die gestärkte Chega ist nun die drittstärkste politische Kraft Portugals hinter den beiden größten Parteien, der PSD und der Mitte-Links-Partei PS, auf die jeweils 78 von insgesamt 230 Sitzen in der Assembleia da República (Versammlung der Republik) entfallen.


„Wir erleben eine Ära des Nationalpopulismus, und mit diesen Parlamentswahlen ist sie in Portugal angekommen“ –  Teresa Nogueira Pinto, Professorin für Politik und internationale Beziehungen


Dieses Mal trat die PSD jedoch in einer Koalition mit dem konservativen Sozialdemokratischen Zentrum (CDS), das zwei Abgeordnete stellte, und der Monarchistischen Volkspartei (PPM…

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