EU

Nabeelah Shabbir: „Ich werde immer Europäerin bleiben“

“Sie können für die nächsten fünf Jahre bleiben ! 🙌 ”. Die britische Journalistin Nabeelah Shabbir, die für den Correspondent schreibt, lebt nun mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in den Niederlanden und ist damit eine der 1,2 Millionen Briten, die im EU-Ausland leben. Kurz bevor der Brexit in Kraft tritt, teilt sie hier einige ihrer Überlegungen mit.

Veröffentlicht am 11 Dezember 2020
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Nie zuvor habe ich beantragt, in einem anderen europäischen Land zu leben, zu arbeiten oder zu studieren. Ich habe fast jedes europäische Land besucht, habe Deutsch, Spanisch und ein bisschen Französisch gelernt, habe Monate, ja Jahre in Köln, Brüssel, Paris und jetzt in Amsterdam studiert oder gearbeitet. Das ist ein Privileg, mit dessen Verlust wir Briten gerade gelernt haben umzugehen. Mein zweijähriger Neffe hat gerade seinen ersten Reisepass bekommen: Es ist nicht der burgundfarbene, den ich noch ein paar Jahre behalten kann, sondern ein weniger wertvoller, blauer.

 Photo: Yara van der Velden/ The Correspondent

Das Motto derjenigen unter uns, die zu jenem Teil der 49 % gehören, die in der Europäischen Union bleiben wollten, wirkt etwas bitter-süss. In sechs Wochen bin ich zwar keine Bürgerin eines EU-Mitgliedstaates mehr, aber ich werde immer eine Europäerin bleiben!

Das Einwanderungsverfahren hat mich nicht so grob behandelt wie manch anderen. Die Wartezeit auf einen Termin zur Anmeldung bei meinem örtlichen Rathaus in Amsterdam betrug etwa zwei Monat -ungefähr die Zeit, die ich brauchte, um eine angemessene Wohnung in der Stadt zu finden. Wann immer ich dann mit dem Fahrrad zur Wohnungsbesichtigung eintraf, gab ich mir oft mit einem anderen "Brit-Burger", also britischem Staatsbürger, die Klinke in die Hand. Mein neuer holländischer Kollege erzählte mir dazu dann, dass ich und die vielen anderen, die das Vereinigte Königreich verlassen haben, darunter die zahlreichen Angestellte von Firmen wie Panasonic und Sony, uns die hohen Mieten eben leisten könnten, weil es ja einen Steuerrabatt gibt, um Ausländer ins Land zu locken. 

Ich musste warten, bis ich an der Reihe war, um ein temporärer Einwohner eines EU-Landes zu werden. Ich bekam meinen ersten Brief von der Einwanderungsbehörde, in dem mir mitgeteilt wurde, dass es viele von uns gibt, die sich wegen des Brexit darum bewerben würden. Irgendwie fühlte sich diese "Übergangszeit" in meinem Leben greifbarer an, auch wenn sie inoffiziell auf einen Stillstand in der Politik zurückzuführen ist. Ich hatte ein Zeitlimit für die Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung, eine Sache von Wochen. 

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Mit der Voraussetzung, eines Wohnungs- und Arbeitsvertrages war es relativ einfach, einen Antrag auf Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat zu stellen. Im Rathaus zeigte ich meine Geburtsurkunde, meinen Reisepass und meinen Wohnungsvertrag und erhielt meine einmalige Steuernummer oder BSN. Ich schickte meinen Antrag zusammen mit einer Gebühr von 60 Euro per E-Mail ab. In meiner Heimat beantragten derweil knapp drei Millionen EU-Bürger einen "Aufenthaltsstatus" im Rahmen des „EU settlement scheme“, wofür ein Adressennachweis erforderlich war.

Ich war nicht in Amsterdam, als ich Antwort erhielt. Mein Freund und Nachbar schickte mir ein Foto des Briefes und fügte hinzu:

‘Du darfst bleiben! 🙂 🙌 ’

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