Der neue slowakische Regierungschef Robert Fico (Smer-SD).

Nicht noch ein starker Mann in Mitteleuropa

Zum ersten Mal seit 1989 wird die Slowakei von einer einzigen Partei regiert werden. Doch der antretende sozialdemokratische Premier Robert Fico täte gut daran, nicht dem Beispiel seines Amtskollegen Viktor Orbán im benachbarten Ungarn zu folgen, meint ein Journalist der Pravda.

Veröffentlicht am 13 März 2012
Der neue slowakische Regierungschef Robert Fico (Smer-SD).

Die Smer-SD hat jetzt nicht nur die einmalige Chance, die politischen Strategien der Regierung ganz nach ihrem Geschmack zu gestalten, sondern ist nun auch allein verantwortlich für das Vorgehen der Regierung. Parteichef Robert Fico weiß, wie er seinen Opponenten entgegentreten muss. Seine Herausforderung liegt jedoch in der öffentlichen Meinung.

Es mag der Smer gelingen, Maßnahmen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts umzusetzen, etwa durch die Einführung einer progressiven Besteuerung oder durch eine verstärkte staatliche Kontrolle über Gesundheitswesen und Rentensystem. Doch selbst dann wird sich die Unzufriedenheit über die zu erwartenden, unbeliebten Kürzungen der Staatsausgaben allein auf die Partei konzentrieren.

Robert Fico scheint sich dessen bewusst zu sein, dass die kommenden Entwicklungen in Europa einen umfassenderen sozialen Konsens erfordern. Aus diesem Grund – und nicht nur, weil er die Befürchtungen hinsichtlich einer Wiederholung des Szenarios in Budapest zerstreuen will – bietet der Wahlsieger den Verlierern Sitze am runden Tisch an. Da er jedoch die Mehrheit innehat, trägt er die Verantwortung letzten Endes immer selbst.

In der slowakischen Politik löst die absolute Mehrheit den fast primitiven Reflex aus, alle staatlichen Strukturen kolonisieren zu wollen: vom öffentlichen Dienst und den wirklich machtausübenden Staatselementen bis hin zu staatseigenen Unternehmen, öffentlichen Aufträgen und öffentlichen Medien. Die internationale Diskreditierung von Orbáns Regierung in Ungarn und der eigene slowakische Gorilla-Skandal sollten da jedoch als Abschreckung dienen.

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Ein neuer Konsens

Wenn die Korruption und die Arroganz der Macht ein erträgliches Ausmaß überschreiten, dann könnte die Legitimität der slowakischen politischen Elite gewissermaßen über Nacht zerbersten. Schließlich hat die Schockreaktion auf die Veröffentlichung der Gorilla-Akte der Smer bei ihrem einmaligen Sieg sogar indirekt geholfen. Die Smer sollte sich vor Augen halten, dass zu den Aufgaben eines Wohlfahrtsstaats auch der Ausschluss jeglicher Korruptionsgefahr gehört, die letztendlich die schwächeren Schichten der Gesellschaft schädigt.

Dass die [slowakischen Nationalisten der] SNS und die [slowakisch-ungarische Koalition der ungarischen Minderheit] SMK diesmal keine Sitze im Parlament erlangten, bestätigt, dass ethnische Spannungen nicht zu den Prioritäten der slowakischen Gesellschaft gehören. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, wie man den ungarischstämmigen jungen Slowaken Arbeitsplätze und berufliche Aussichten bieten kann.

Die Wahlen bestätigten das Scheitern derjenigen Strategien, die auf sozialen und ethnischen Spaltungen und auf der Vertiefung der Konflikte beruhen. Die konservativen Parteien, die in der Wahl am besten abschnitten, sind jene, die den Bedarf an sozialeren Alternativen zu den existierenden Strategien behandelt hatten. Darüber wird die zersplitterte slowakische Rechte reflektieren müssen.

Nach dem neoliberalen Konsens, den sogar die postkommunistische mitteleuropäische Linke in den letzten 20 Jahren akzeptierte und mit aufbauen half, bahnt sich nun offensichtlich ein neuer Konsens an. Dabei wird eine größere Verantwortung für den sozialen Zusammenhalt auf die Bessergestellten innerhalb der Gesellschaft und auf große Handelskonzerne entfallen. (pl-m)

AUS ÖSTERREICH

Vom Populisten zum Konsenspolitiker?

In Österreich merkt der Standard an, dass natürlich der Korruptionsskandal namens „Gorilla“ die Wahl entschieden habe. Die Wiener Tageszeitung beobachtet aber dennoch, dass Robert Fico, trotz des allgemeinen Misstrauens der Slowaken gegenüber ihren Politikern, der mit Abstand beliebteste Politiker geblieben sei.

Da er im Gegensatz zu seiner ersten Regierungszeit einen proeuropäischen Kurs vertreten und von dem österreichischen Fraktionschef der Europäischen Sozialdemokraten, Hannes Swoboda, bereits vor dem Wahltag öffentlich ein positives Reifezeugnis erhalten hat, dürfte er sich in der Europapolitik trotz seiner absoluten Mehrheit kaum als eine Art "linker Orbán" entpuppen.

Für Fico bleibe aber der wahre Prüfstein für die Wandlung vom Populisten zum Konsenspolitiker die Haltung gegenüber der ungarischen Minderheit (9,7 Prozent der Bevölkerung), urteilt der Standard.

Nach seinem Triumph könnte Fico also einen (überfälligen) und auch von der EU erwarteten toleranten Kurs gegenüber der schrumpfenden ungarischen Minderheit einschlagen und damit die Extremisten hüben und drüben isolieren.

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