unknows Europas Presse zum Krieg in Mali

„Paris nicht alleine lassen“

Veröffentlicht am 18 Januar 2013 um 11:33

Sollen Frankreichs europäische Partner an seiner Seite in Mali eingreifen? Für Europas Presse ist nichts unsicherer als das. „Höfliche Ausreden“ wohin man blickt, klagt Le Figaro. The Independent warnt vor einem zweiten Afghanistan.

Seit einer Woche fliegt Frankreich Luftangriffe gegen radikale Islamisten in Mali. Der Militäreinsatz zieht immer weitere Kreise. Doch das Land fühlt sich von seinen europäischen Partnern allein gelassen.

So schreibt der Politologe Gilles Kepel in Le Monde zur „unerträglichen Einsamkeit Frankreichs in Mali“:

Ist Frankreich dafür gerüstet, die Aktion zur Wiederherstellung der malischen Souveränität und zum Stopp der dschihadistischen Ausbreitung in der Sahelzone zu einem guten Ende zu bringen? Anders gesagt: Wie auch immer die Kämpfe ausgehen mögen, der wahre Test vor Ort wird sein, inwieweit Frankreich die Demokratisierung begünstigt und sich vor den Irrungen hütet, die auf die Operationen der NATO in Libyen, der Vereinigten Staaten im Irak oder der internationalen Koalition in Afghanistan folgten. Die französische Einsamkeit, während doch für ganz Europa an der Mittelmeerfront etwas auf dem Spiel steht, ist nicht haltbar – außer, man will den Sinn der Union unterhöhlen. Weil die Geiselnahme von In Amenas in ihrer großen Mehrheit Staatsangehörige angelsächsischer und skandinavischer Länder betrifft [...] wird sie notgedrungen neue Staaten in den Konflikt einbinden, wenn auch unter Zwang.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Die unbequeme Wahrheit sei, laut der Neuen Zürcher Zeitung, dass auch in der Ära nach Afghanistan westliche Militärinterventionen mit Bodentruppen erforderlich sein könnten, wolle man greifbare Resultate erzielen.

Eine Doktrin, die ein militärisches Engagement in ehemaligen Kolonialgebieten grundsätzlich ausschließt, wäre falsch. Die Europäer, darin hat Präsident François Hollande recht, können diese unangenehme Aufgabe auch nicht einfach an die USA delegieren. Frankreich muss nun zeigen, dass es mehr kann, als Streitkräfte zu schicken. Die anderen EU-Staaten, allen voran Großbritannien und Deutschland, sollten Paris dabei nicht alleine lassen.

Wer François Hollande in sein „Sahelistan“ wie folgen wird, liegt für François Heisbourg in der New York Times im Dunkeln. Der Pariser Politologe erinnert aber an das Dictum des in Europa ungeliebten Donald Rumsfeld nach dem 11. September:

Die Koalition ergibt sich aus dem Einsatz. Zu den militärischen Unterstützern Frankreichs gehören viele, von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) bis zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Doch die NATO als solche ist abwesend – ebenso wie einstweilen auch die Europäische Union. Die EU insbesondere hat wieder einmal bewiesen, dass die Wörter „Geschwindigkeit und Dringlichkeit“ nicht zu ihrem Wortschatz gehören.

Für Le Mondes Hauscartoonist Plantu besteht europäische Solidarität derzeit vorrangig aus warmen Worten. Ähnlich schrieb Le Figaro, als Tage nach Beginn der Operation keinerlei Anzeichen für Hilfstruppen zu sehen waren:

An wen sie sich in Europa auch wenden mögen, das einzige, was die französischen Diplomaten und der Generalstab zu hören bekommen, sind höfliche Ausreden. Deutschland, die einzige Militärmacht in Europa, deren Verteidigungshaushalt noch steigt, kann nicht einen einzigen Soldaten oder Panzer ohne eine Abstimmung im Bundestag entsenden. Und das ist eine Option, die Angela Merkel im Wahlkampf vermeiden will. Italien ist ebenfalls im Wahlkampf und das finanziell ausgelaugte Spanien scheint alles andere als begeistert. Die Länder Nordeuropas, wie die fleißigen NATO-Beitragszahler Niederlande und Dänemark, interessieren sich kaum für Afrika. In Osteuropa erinnert Polen daran, dass es noch Soldaten in Afghanistan stationiert hat...

Wird Deutschland zwei Jahre nach Libyen nun auch für Mali seine Unterstützung, nicht aber seine Teilnahme anbieten?, fragt sich der Berliner Korrespondent von Le Monde.

Die ersten Erklärungen der deutschen Regierung seit der Ankündigung des französischen Eingreifens veranschaulichen wieder einmal die Widersprüche der deutschen Außenpolitik. [...] Das stellt für das Treffen der beiden Regierungen am Dienstag den 22. Januar, anlässlich des 50. Jahrestags des Elysée-Vertrags, ein schönes Thema in Aussicht. Geplant war hier die Diskussion über eine wenn möglich gemeinsame Vorgehensweise in der Außenpolitik gewesen.

Alberto Negri schrieb in der Mailändischen Il Sole, der Krieg in Mali ginge Italien sehr wohl an:

Wir haben ein kurzes Gedächtnis, aber Italien war in den bleiernen Jahren in Algerien, als der Zusammenstoß mit den Islamisten zu zehn Jahren Terror und 200.000 Toten führte, in wichtige Sicherheitsfragen verwickelt. Italiener und Algerier arbeiteten damals eng zusammen, um den islamistischen Gruppen, die von der nordafrikanischen Küste nach Europa blickten, Einhalt zu gebieten. [...] Auch Italien interessiert sich für die Sahelzone, was würden wir sonst mitten im Mittelmeer machen? Der Handel mit der südlichen Mittelmeerküste bringt uns jährlich 57 Milliarden Euro ein und wir zählen immer zu den drei wichtigsten Wirtschaftspartnern der Länder in Nordafrika. Deren Sicherheit ist unsere Sicherheit.

The Independent warnte davor, dass der Krieg in Mali Sorgen bestärken könnte, der Westen würde schon wieder zum Kampf gegen den Islam aufrufen. So ist Owen Jones der Ansicht:

Es ist äußerst beunruhigend, wie David Cameron Großbritannien in den malischen Konflikt verwickelt hat, ohne auch nur so zu tun, als ob er Rücksprache halten würde. So erfahren wir, dass keine Truppen entsandt werden sollen. Aber eine Eskalation der Krise könnte zu einer Ausweitung des Einsatzes führen und Großbritannien tiefer hineinziehen. Der Westen neigt dazu, sich mit den dubiosesten Partnern zu verbünden: Die Alliierten, die wir gewählt haben, sind ganz entschieden keine menschenrechtsliebenden Demokraten. Wir alle müssen prüfen, was unsere Regierungen in unserem Namen unternehmen. Wenn wir aus Irak, Afghanistan und Libyen nichts gelernt haben, dann ist alle Hoffnung verloren.

In Zusammenarbeit mit Spiegel Online

Foto: Le Monde

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!