Analyse Parlamentswahl in Italien

Was geschieht mit Europa, wenn rechtsextreme Parteien in Italien an die Macht kommen?

Am 25. September findet die Parlamentswahl in Italien statt. Umfragen deuten auf einen Sieg der souveränistischen Rechten unter Giorgia Meloni, in Koalition mit Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia. Und was kommt danach? Politik nach polnischem oder ungarischem Vorbild, spekuliert das italienische Kultur- und Politikmagazin il Mulino.

Veröffentlicht am 22 September 2022 um 12:45
Giorgia_Meloni_Silvio_Berlusconi_Matteo_Salvini_Marilena_Nardi

In Italien hat die souveränistische Rechte die Parlamentswahl am 25. September gewonnen und wird nun eine neue Regierung bilden. Die Mehrheit innerhalb der Koalition hat Giorgia Melonis Fratelli d’Italia (FdI), die sich, ähnlich wie die polnische Rechte für die NATO ausspricht, aber eine euroskeptische Außenpolitik verfolgt.

FdI hat zwei verbündete Regierungsparteien: Lega und Forza Italia. Die Lega-Parteispitze tendiert dazu, mit Viktor Orbán und Marine Le Pen zu sympathisieren (wobei ein großer Teil der Parteimitglieder moderatere Positionen vertritt).

Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) ist in der Vergangenheit nicht immer überzeugend pro-europäisch aufgetreten und hat zuweilen sogar Sympathien mit Putin gezeigt – obwohl sie zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehört und sich selbst als pro-europäisch und pro-NATO bezeichnet.

Angesichts des Machtverhältnisses innerhalb der Koalition (die FdI bekam mehr Stimmen als die Lega und die FI zusammen) wird sich vermutlich zumindest vorerst der polnische Ansatz durchsetzen.

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Was ist mit „polnischer Ansatz” gemeint? Die polnische souveränistische Rechte hat seit ihrer Rückkehr ins Parlament in der Mitte des letzten Jahrzehnts die europäische Integration überall da verlangsamt, wo sie nicht direkt ökonomisch davon profitieren konnte.

Die polnische Regierung misst außerdem weiterhin der nationalen Gesetzgebung mehr Wert bei als dem EU-Recht und hat auf dieser Grundlage seit 2015 eine Reihe von Maßnahmen verabschiedet, die Rechtsstaatlichkeit und richterliche Unabhängigkeit in Frage stellen. Für diesen Verstoß gegen die EU-Verträge wurde sie mit eingefrorenen Geldern sanktioniert, darunter auch der Fonds NextGenerationEU (NGEU).

Es folgten langwierige Verhandlungen, die in einer Änderung des polnischen Gesetzes zur richterlichen Unabhängigkeit endeten. Das wurde als ausreichend beurteilt, um die NGEU-Gelder im Juni dieses Jahres wieder fließen zu lassen. Auf internationaler Ebene war Polen historisch immer für die NATO und gegen Russland – eine Tendenz, die durch Russlands Invasion in der Ukraine noch verstärkt wurde. Für Italien würde der „polnische Ansatz” eine euroskeptische Politik bedeuten, mit der auf verschiedenen Ebenen (Migrationspolitik, nationaler Aufbau- und Resilienzplan, Wettbewerb, vielleicht sogar Rechtsstaatlichkeit) der eigene Handlungsspielraum innerhalb der EU ausgetestet würde und die auf opportunistische Weise nur diejenigen Grundsätze unterstützen würde, die einen direkten Nutzen für das eigene Land hätten.

Hinsichtlich der politisch-militärischen Bündnisse sollte der polnische Ansatz sicherstellen, dass Italien in der NATO bleibt (wobei vielleicht ein paar Abstriche gemacht werden müssen, allen voran bei der Lega) und weiterhin eine gute Beziehung mit den Vereinigten Staaten und insbesondere den Republikanern pflegt.

Ein souveränistisches Italien und seine Beziehung zu Europa

Zum jetzigen Zeitpunkt ist nur schwer vorherzusagen, in welchem Maße die neue italienische Regierung den souveränistischen und ethno-nationalistischen Instinkten folgen wird, die bereits bei den Koalitionsparteien vertreten sind.

Wie bereits erwähnt, ist es am wahrscheinlichsten, dass die neue rechte Regierung den polnischen Ansatz verfolgen wird – immerhin sind FdI und die polnische PiS Teil derselben Partei im Europaparlament. Ein innenpolitischer Ruck in Richtung Orbán ist dann denkbar, wenn es schlecht läuft: Sollte genügend wirtschaftlicher und sozialer Unmut aufkommen, könnte die neue Regierung einen illiberalen Weg einschlagen.

Außenpolitisch ist die pro-russische Fraktion in der Regierung eine Minderheit und wird dies zumindest vorerst auch bleiben. Sie könnte jedoch mehr Zulauf gewinnen, wenn Donald Trump 2024 wiedergewählt wird. Pro-amerikanisch und pro-russisch zu sein wäre kein Widerspruch mehr, sodass die Orban-Unterstützer in der Lega und (in geringerem Ausmaß) in der F…

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