Rosia Montana.

Rosia Montana – Der Fluch des Goldes

Rosia Montana steht auf Minen. Seit ein rumänisch-kanadisches Unternehmen hierherkam um Gold zu fördern wird die kleine Ortschaft mehr und mehr zum Geisterdorf. Das Projekt bedroht die Umwelt in der Region, und das rumänische Parlament, die Europäische Union und Umweltschützer sehen mit Sorge zu.

Veröffentlicht am 7 Juli 2009 um 13:10
Rosia Montana.

Anfang des Sommers hörte man in Rosia Montana, dass eine Frau schwanger sei. Die Neuigkeit hat auch die wenigen alten Bergmänner aus ihrer Erstarrung gelöst, die sonst ihre Tage mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf dem kleinen Dorfplatz verbringen und warten, dass irgend etwas passiert. Selbst der alte, taubstumme Ioji Vlăgnean hat von dem Ereignis Wind bekommen. Deshalb baut er sich torkelnd vor dem Eingang des alten Casinos auf, wo vor der Machtübernahme der Kommunisten die Mineneigentümer ihr Gold verspielten, und starrt durch ein dickes Monokel auf den kleinen Platz. Nur ein fabelhafter Umstand konnte ihn aus seiner Lähmung locken.

Ioan Moduna verbreitet die Neuigkeit als Erster, aber niemand glaubt ihm. Aber als der Vorarbeiter Gruber, ein Mann des Vertrauens, sie bestätigt, fangen alle an, Vermutungen aufzustellen. Wird es ein Mädchen oder ein Junge? Und wann kommt das Kind? Schelmisch schüttelt der Taubstumme seinen Kopf und gestikuliert mit den Händen vor seinem Bauch, als würde er ein Kind auf die Welt bringen - sicherlich das einzige 2009 in Rosia Montana.

Ein Platz, zwei NGOs

Der kleine Platz, wo die Männer diskutieren, wird von zwei NGO's beherrscht: eine für den Goldabbau, die andere dagegen. Auf jeden Neuankömmling stürzen sich die Mitglieder beider Seiten und versuchen, den Unglücklichen am Ärmel zu ziehen, so wie früher die Ladenbesitzer, um Kunden anzulocken. Und dann trägt jeder seine Argumente vor.

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Die Gesellschaft Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) (ein Gemeinschafts-unternehmen der kanadischen Gesellschaft Gabriel Resources und des staatlichen rumänischen Unternehmens Minivest) hat 80 Prozent der Gemeinde aufgekauft. Für die Anhänger des Goldabbaus ist der Ort am kritischen Punkt angelangt, von dem er sich nicht mehr so schnell erholen kann. Das durch das Gold entstandene Dorf wird verschwinden, sagen sie, nur das historische Zentrum bleibe erhalten. Die Menschen haben den Ort aufgegeben. Sie haben ihre Häuser und Grundstücke verkauft und sind fortgegangen oder sind in ihren schon verkauften Häusern geblieben und warten, bis sie in ein neues Dorf umziehen können. Die Umweltschützer dagegen prophezeien apokalyptische Zeiten, in denen das Dorf von Zyanid überschwemmt sein wird.

Bisher war die Geburt eines Kindes eigentlich kein Grund für ausschweifende Gespräche und Emotionen. Die letzte Geburt eines Kindes war am 24. Dezember 2008. Robert Stefan Mălan spielt heute mit der Laterne seines Urgroßvaters auf der Wiese. Aber "er wird niemals Bergmann, das ist sicher", sagt seine Vater. "Am Schlimmsten ist, dass ich nicht weiß, was er mal werden wird, er hat keine Zukunft."

Minenarbeiter ohne Arbeit

Horatiu Mălan lebt in einem Wohnhaus. Die Nachbarn haben verkauft und sind in die Stadt gezogen. Er hat auch bereits verkauft, bleibt aber solange hier, bis sein neues Haus in Alba Iulia fertig gebaut ist. In der Stadt wird er sich in einer dramatischen Lage befinden: 45, arbeitslos, verheiratet, ein Kind. "Wer stellt denn in einer Stadt einen Bergmann ein? Wovon soll meine Familie leben?" So wie er werden 125 Bergarbeiterfamilien die Not mit in die Stadt bringen, die sie seit dem Ende des Bergbaus 2006 (hauptsächlich Kohle) getroffen hat. Wovon werden sie leben? Gibt es in der Stadt nicht schon genug Arbeitslose?

Die Einzigen, die in Rosia Montana noch in Lohn und Brot stehen sind die Polizisten, einige wenige Lehrer, die so tun, als würden sie den Kindern in einer praktisch verwaisten Schule etwas beibringen, und die Angestellten des Rathauses. Das Gebäude wurde übrigens auch von der Gold Corporation aufgekauft.

Wie alle Bergmänner, die nach der Schließung der Minen durch die rumänische Regierung ohne Arbeit zurückgeblieben sind, möchte auch Mălan gern mit dem Abbau des Goldes beginnen. "Die Umweltschützer sollen mit ihren Spinnereien aufhören, sagt Horatiu Mălan. Die haben eine Eidechse unter einem Baum gesehen und jetzt lassen sie uns hier verhungern, um die Eidechse zu retten. Die sollten lieber die Eidechse anderswohin bringen und uns das Gold abbauen lassen."

DEBATTE

"Kleines Kalifornien" im Getümmel des Rechtsstreits

Der Rechtsstreit zwischen den Rumänen und der Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) begann 1997, als das kanadisch-rumänische Unternehmen den Grund und Boden von Rosia Montana aufkaufte. Dieser Ort wurde vor etwa 2000 Jahren vom Imperator Trajan unter dem Namen Alburnus Maior gegründet. Heute lebt das Dorf im Rhythmus der Demonstrationen auf dem Dorfplatz, der Besuche von europäischen Delegation, die die örtlichen Gegebenheiten inspizieren und der Verabschiedung widersprüchlicher Gesetzte der Regierung.

Die RMGC möchte den Gold- und Silberabbau wie schon zu Zeiten der Römer wieder aufnehmen, allerdings unter Einsatz von Zyanid. Das Unternehmen verspricht neue Arbeitsplätze. Gegner warnen jedoch vor einer Katastrophe für Natur und Mensch. In Rosia Montana, das so wie das kleine Kalifornien durch den Goldrausch bekannt wurde, findet man noch zahlreiche Spuren der römischen Epoche. Es liegt nur wenige Kilometer von Sibiu, der europäischen Kulturhauptstadt 2006, entfernt und ist dadurch ein beliebtes Touristenziel.

Die rumänische Regierung, die zunächst dem Projekt positiv gegenüber stand, spricht sich nun vehement dagegen aus. Die Region wurde auf Grund der archäologischen und natürlichen Gegebenheiten zum Schutzgebiet erklärt und das rumänische Parlament ist im Begriff ein Gesetz zum Verbot von Zyanid zu verabschieden. Denn die Europäische Union würde weder den Abbau der größten Goldmiene Europas unter Einsatz von Zyanid, noch die Zerstörung der natürlichen Umgebung mit ihren fünf Dörfern und Bergen wohlwollend betrachten. Die Erinnerung an den Unfall 2000 in Baie Mare, wo durch das Auslaufen des Abfallsammelbeckens die Flüsse Mures und Tisza (Ungarn) sowie das Trinkwasser von drei Millionen Menschen verseucht wurde, ist noch allzu präsent in den Köpfen.

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