Spanien und Italien in der Schuldenspirale

Mit jedem Tag werden die beiden Länder gegenüber den Märkten schwächer. Je mehr die Finanzierung ihrer Staatsschulden kostet, desto weniger Chancen haben sie, der Krise zu entkommen. Und bis jetzt weiß niemand, wie diese Spirale gestoppt werden kann.

Veröffentlicht am 3 August 2011 um 15:59

Diese Woche versetzte die Explosion der spanischen und italienischen Risikoprämien (die spanische überschritt die 403 Basispunkte im Vergleich zu den Zinsen auf deutsche Staatsanleihen und schloss bei über 380) beide Länder in einen Notzustand. Die politische Beunruhigung, die durch die von den Börsen- und Finanzmärkten endlos auferlegte Bestrafung ausgelöst wurde, führte zu Beratungen zwischen Regierungschef José Luiz Rodríguez Zapatero und den Oppositionsparteien. Sie wollten die möglichen Szenarien angesichts der ernsthaften Verschlechterung der spanischen Bonität untersuchen und die Befürchtungen hinsichtlich einer eventuellen Rettung Spaniens, die von Brüssel dementiert wird, abwenden.

Die konstanten Attacken der Märkte gegen die spanischen und italienischen Anleihen verheißen nichts Gutes für das Überleben der Eurozone. Diese ist nämlich praktisch schutzlos ausgeliefert, denn sie verfügt immer noch nicht über die nötigen politischen Mittel, um die Spekulation mit Staatsanleihen zu verhindern.

Die Diagnose ist gestellt, doch Europa findet immer noch keine Lösung für das Grundproblem der Griechenlandkrise und zeigt immer noch keine einheitliche wirtschaftliche Ausrichtung. Unterdessen bleiben Spanien und Italien in den unlösbaren Widerspruch verstrickt, der bei der Umsetzung eines drastischen finanziellen Rettungsplans auftritt. Je höher die Haushaltskürzungen, die von einem Land verlangt werden, desto stärker brechen die Wachstumsperspektiven ein. Die Investoren verstehen, dass die bewilligten Finanzierungen ohne Wachstum nicht zurückgezahlt werden können. Sie erhöhen also die Kosten ihrer Refinanzierung, was ihre bereits ausgeschöpfte Aktivität noch ein bisschen mehr einschränkt. Und so fort, bis zur unvermeidlichen Rettung.

Der Monat August kündigt sich für Spanien und Italien als eine schwierige Prüfung an. Die Investoren haben die [in Spanien am 20. November stattfindenden] vorgezogenen Wahlen nicht berücksichtigt, denn sie sind nur ein Randfaktor gegenüber der oben genannten wirtschaftlichen Faktoren wie das kränkelnde Wachstumspotential (das spanische Bruttoinlandprodukt erreicht dieses Jahr wenn es Glück hat 0,7 Prozent Wachstum), die Stagnation der Weltwirtschaft (die im Fall der Vereinigten Staaten offensichtlich ist) und das unheilvolle politische Krisenmanagement in Europa.

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Pest oder Cholera

Weder Deutschland noch die EZB konnten letztendlich die Kriterien der Finanzreform konkretisieren, die während des letzten europäischen Gipfels dargelegt wurden. Unterdessen steuert Europa geradewegs auf eine irreversible Krise zu. Wenn Italien und Spanien, die jeweils dritt- bzw. viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone, einen Rettungsplan beantragen sollten, dann wäre das ein komplettes Desaster für die Einheitswährung.

Der Handlungsspielraum der spanischen Regierung stellt sie vor die Wahl zwischen Pest und Cholera. Geht die Risikoprämie nicht zurück, dann verschlingt die Erhöhung der Kosten für den Schuldentilgungsdienst jegliche Anwandlung öffentlicher Politik. Der Aufschwung ist schon schwierig, wenn der Schuldenabstand bei 100 Basispunkten liegt; bei einem Abstand von 400 Basispunkten ist es unmöglich, der Stagnation zu entkommen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosigkeit bedeutsam zu senken.

Eine orthodoxe Antwort (wie vom IWF vorgeschlagen) läge darin, Europa und den Märkten zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Haushaltskürzung um zwei Prozent des BIP vorzulegen. Doch diese Entscheidung würde sich auf das Wachstum ebenso auswirken wie die Strangulierung durch die unverhältnismäßige Erhöhung der finanziellen Kosten. Es wäre, als wolle man für die kommenden fünf Jahre auf jeglichen Aufschwung verzichten.

Die Würfel sind gefallen. Und angesichts des Scheiterns der orthodoxesten Methoden müssen nun neue Wege gesucht werden, durch ein entschiedenes und sofortiges Handeln der EZB (massiver Ankauf spanischer und italienischer Anleihen) und die Akzeptierung einer europäischen Anleihe, die die nationalen Anleihen ersetzt. (pl-m)

Eurozone

Abhilfe nicht absehbar

Angesichts der Aussicht, die Krise der Eurozone könne auf Spanien, Italien und Zypern übergreifen, „bemühen sich die Regierungen der Eurozone verstärkt, ihren 440-Milliarden-Euro-Rettungsfonds aufzupolstern“, berichtet die Financial Times. Am 21. Juli „kamen sie überein, den EFSF dazu zu befähigen, die Anleihen geschwächter Staaten auf offenen Märkten aufzukaufen und ihnen kurzfristige Dispokredite und liquide Mittel zu gewähren, um den notleidenden Banken bei der Rekapitalisierung zu helfen“. Da die spanischen und italienischen Risikoprämien steigen, „wäre die Fähigkeit, spanische oder italienische Anleihen zu gefallenen Kursen aufzukaufen, ein Weg, um die Märkte zu stabilisieren“.

„Doch europäische Diplomaten und Funktionäre räumten ein, es werde Wochen – vielleicht Monate – dauern, bis die neuen Befugnisse der ESFS eingesetzt werden können“, bemerkt die FT und berichtet, dass die Beamten der Eurozone ihre Arbeit beschleunigen, um einen Entwurf auszuarbeiten. Der Endtext müsste dann „von den 17 Regierungen der Eurozone abgezeichnet werden und einen Ratifizierungsprozess durchlaufen, der in den meisten dieser Länder eine Bestätigung durch das Parlament erfordert“.

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