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In Tunesien führen sich europäische Unternehmen auf wie Ölbarone

Zwei europäische Unternehmen, Serinus mit Sitz in Jersey und die französische Perenco, haben in Ermangelung jeglichen Rechtsrahmens Genehmigungen erhalten, um mit Hilfe der hydraulischen Frakturierung (Fracking) sogenannte „unkonventionelle“ Ölvorkommen zu erschließen. Diese Technik ist wegen ihrer Auswirkungen auf die Umwelt verpönt.

Veröffentlicht am 5 Februar 2024 um 15:42
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Es ist schwer vorstellbar, dass zahlreiche Erdöl-Bohrlöcher die Landschaft von Kebili in der Nähe von Douz (im Süden Tunesiens, Anm. d. Red.) übersäen. Die Region ist eine lokale Tourismus-Hochburg; besonders beliebt sind die inmitten der Wüste liegenden Salzflächen, die eine charakteristische Kulisse für die Umgebung des Salzsees Chott el Djérid darstellen.

Doch gerade hier, in der Region Kebili, wurden die Standorte der französischen Ölgesellschaft Perenco und der in Jersey ansässigen Serinus 2017 wiederholt mit Streiks und Sit-Ins konfrontiert. Diese wurden von der lokalen Zivilgesellschaft organisiert, die seit 2012 eine bessere soziale und ökologische Überwachung der beiden ausländischen Unternehmen, die tunesischen Boden ausbeuten, fordert.

Tunisia, Sabria, DE

Im Laufe des Jahres 2017 führte eine Reihe von Protesten in Kebili zur Unterzeichnung einer 114-Punkte-Vereinbarung mit der Zivilgesellschaft, während die Einstufung der Förderstätten als „Militärzonen“ jeden Protestversuch ebenso wie die Überwachung der Aktivitäten der Öl- und Gasunternehmen in der Region verhinderte.

Nach Perenco, das im November 2022 in Frankreich von den Organisationen Sherpa und Amis de la Terre wegen der durch seine Aktivitäten in der Demokratischen Republik Kongo verursachten Umweltverschmutzung verklagt wurde, ist nun das Unternehmen Serinus an der Reihe.

Das in Jersey (einer Insel zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich, die von einigen Staaten als Steuerparadies betrachtet wird) registrierte Unternehmen kontrolliert den tunesischen Betreiber Winstar, der mit der Ausbeutung des Ölfelds Sabria in Kebili beauftragt ist und dessen extraktive Praktiken ebenso fragwürdig sind.

Serinus: Kleinunternehmen eines polnischen Energieriesen

Im Jahr 2013 erhielt das Unternehmen Serinus Energy zwei Darlehen in Höhe von insgesamt 60 Millionen US-Dollar von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) für die Entwicklung der Ölfelder Sabria, Ech Chouech und Chouech Essaida im Süden Tunesiens.

Die Darlehen wurden trotz einer anfänglichen Enthaltung bei der Abstimmung über die Finanzierung durch die mit der EBWE verbundenen Entwicklungsbanken gewährt. Ein Nicht-Engagement, das damals mit „dem Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung“ bezüglich des Serinus-Projekts in Tunesien begründet wurde.

Vue satellite du champ Sabria en 2022. | Source: Google Earth
 Satellitenansicht des Ölfelds Sabria, 2022. | Google Earth

Das Darlehen wurde dann von der EBWE als Unterstützung „für die Entwicklung eines kleinen, unabhängigen Unternehmens in Tunesien, wo staatliche Unternehmen noch immer die Produktion fossiler Energieträger dominieren“, gerechtfertigt. Allerdings war Serinus Energy damals eine der Säulen des Finanzimperiums von Kulczyk Investments. Der Investmentfonds gehörte zu dieser Zeit einem der reichsten Männer Polens: dem Milliardär Jan Kulczyk, der mittlerweile verstorben ist und dessen Sohn Sebastian die Leitung des familieneigenen Finanzimperiums übernommen hat. 

Zum Zeitpunkt des Vorfalls hatte kein Geringerer als der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler die Position des Leiters der afrikanischen Aktivitäten bei Kulczyk Investments inne. Vor allem war Köhler von 1998 bis 2000 Präsident der EBWE,- wie das Netzwerk Bank Watch bereits 2014 berichtete. Dieselbe Institution sollte später das Serinus-Projekt in Tunesien mit 60 Millionen US-Dollar finanzieren.

Neben diesem Drehtür-Effekt sorgten die Bohrtechniken und die mit dem Projekt verbundenen Umweltrisiken für die Empörung der Zivilgesellschaft auf internationaler Ebene. Die Bank präzisierte gegenüber unserer Redaktion, dass der ehemalige deutsche Bundespräsident zum Zeitpunkt der Finanzierung des Projekts von Serinus Energy „nicht mehr dem Verhaltenskodex für EBWE-Mitarbeitende“ unterlag, insbesondere im Hinblick auf Interessenkonflikte.

Die EBWE fügte hinzu, dass das Projekt auch einer „strengen Prüfung“ in Bezug auf seine Integrität unterzogen worden sei, weigerte sich aber, uns eine Kopie davon zur Verfügung zu stellen.

Wo sind die 60 Millionen US-Dollar geblieben?

Im Laufe des Jahres 2013 sprachen 20 NGOs die EBWE auf die Finanzierung der Ölfelder an und verlangten die Aufgabe des Projekts. Sie kritisierten die „horizontalen Bohrlöcher“ und den „Einsatz von hydraulischer Frakturierung“ – eine Praxis, die wegen ihrer schädlichen Folgen für Umwelt und Gesundheit verpönt ist.

Die Forderung dieser Organisationen blieb ungehört, wie die EBWE selbst in ihrer Projektbewertung aus dem Jahr 2021 erklärt: Diese Kritik wurde „von der Gesellschaft und dem Sponsor zurückgewiesen [...], da sich das Projekt ohnehin weitgehend aufgelöst hat“. Auch die 60 Millionen Dollar?


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In der EBWE-Bewertung werden die „bescheidenen“ Ergebnisse des Projekts sowie eine „weitgehend unbefriedigende“ Effektivität und Wirkung festgestellt. Die Gesamtbewertung des Serinus-Projekts in Tunesien wird als „arm“ definiert. Dieser Misserfolg wird dem Fall des Ölpreises pro Barrel Anfang 2014 zugeschrieben, woraufhin die Entwicklungsbank ihre Finanzierung auf 45 Millionen US-Dollar nach unten korrigiert haben soll.

Diese Summe sollte zum Teil dazu verwendet werden, „die Stimulation“ der Ölquellen der Konzessionen von Serinus in Tunesien sicherzustellen – also die Verbesserung ihrer Ausbeute. Um dies zu erreichen, ist die hydraulische Frakturierung eine der gängigsten Methoden.

Die EBWE versichert zwar in ihrer Bewertung, „dass während des Projekts kein Fracking stattgefunden hat“, aber verschiedene Elemente lassen heute Zweifel daran aufkommen. Die Institution, die per E-Mail kontaktiert wurde, weist außerdem darauf hin, dass „Stimulationsvorgänge“ von Fracking-Operationen zu unterscheiden sind.

Der Standort Sabria wird von Serinus Energy in Partnerschaft mit dem tunesischen Unternehmen für Erdölaktivitäten Entreprise Tunisienne d'Activités Pétrolières (ETAP) betrieben. Es handelt sich um ein großes Feld, das aus breiten Becken besteht, die in jeder Hinsicht denen von Perenco ähneln: Becken, die auf Fracking-Operationen hindeuten können, so die Expertin Sabria Barka, Mitautorin des Berichts „Gaz de schiste en Tunisie : entre mythes et réalités“.

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