Der Dnjestr in den Nähe Tiraspol (Transnistrien).

Verschärfte Spannungen am Dnjestr

Während die Republik Moldau damit beschäftigt ist, an der Grenze zu ihrer sezessionistischen Provinz Kontrollposten zu errichten, bemühen sich Russland und die Ukraine um zügige Verhandlungen. Der Konflikt soll nun beigelegt werden. Für die EU könnte die angespannte Situation zur diplomatischen Zerreißprobe werden.

Veröffentlicht am 16 April 2013
Eugene Romanenko  |  Der Dnjestr in den Nähe Tiraspol (Transnistrien).

Mit der Entscheidung, ab dem 1. Mai entlang der Grenze zu Transnistrien neue Kontrollposten zu errichten, winkt Chisinau der EU wieder einmal mit dem Zaunpfahl. Allerdings trägt [die moldawische Hauptstadt] damit nicht gerade dazu bei, dass die Spannungen am Dnjestr abgebaut werden.

Im Mai wird in Odessa eine neue Gesprächsrunde zum Thema Transnistrien stattfinden, die dem 5+2 Format treu bleibt (Russland, Ukraine, OSZE, EU, USA, Republik Moldau, Trasnsnistrien). Die Ukraine, die derzeit den OSZE-Vorsitz innehat, setzt große Hoffnungen in dieses Treffen. Der ukrainische Außenminister und OSZE-Vorsitzende Leonid Koschara gab bereits bekannt, dass Kiew nicht nur die Absicht habe, die Gespräche voranzutreiben, sondern sie bis Ende des Jahres auch abschließen wolle.

Sechs neue Kontrollposten

Unterdessen wird die Situation vor Ort immer schlimmer. Entlang des Dnjestr verstärkt die Republik Moldau den Schutz an der Grenze, die laut Chisinau die Sicherheit der orientalischen Märkte der Europäischen Union gewährleisten soll. Auf beiden Seiten des Ufers hat die Bevölkerung bereits einen ersten Schluss gezogen: Die Republik Moldau ist dabei, Transnistrien an Russland abzutreten (danach klingen zumindest die Vereinbarungen) und sich der EU und Rumänien zuzuwenden.

Ab 1. Mai werden entlang der Grenze zwischen Moldawien und Transnistrien sechs neue Kontrollposten geschaffen, die sowohl der Zoll- als auch der Einwanderungskontrolle dienen sollen. Die Pässe der Bürger aus der selbsternannten Republik Transnistrien, die nicht die moldawische Staatsbürgerschaft haben, werden dann gescannt und registriert. Transnistriens Außenministerin Nina Stanski erklärte, dass dies schon jetzt üblich sei und „zusätzliche Einschränkungen des freien Personenverkehrs“ hinzukommen würden. Sie erinnerte daran, dass mehr als 180.000 russische und fast 100.000 ukrainische Bürger auf sezessionistischem Boden leben, und die Republik Moldau sie „alle als Ausländer betrachten könnte“.

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„Eine ziemliche Provokation”

In Tiraspol wurde diese Entscheidung Chisinaus als ziemliche Provokation aufgenommen. Zumal „sich zu dieser Jahreszeit der Frühjahrsferien und der Nationalfeiertage [1. und 9. Mai] immer besonders viele Menschen zwischen den beiden Ufern hin- und her bewegen.“

Für diese Entscheidung gibt es folgende Erklärung: Die Republik Moldau möchte die Visa-Liberalisierung mit der EU aushandeln. Wie der EU-Vertreter in Chisinau, Dirk Schübel, aber bereits betonte, muss Moldawien dafür unbedingt die Sicherheit seiner Grenzen garantieren: Nicht nur die der westlichen Grenzlinie, sondern auch die der östlichen.

In Tiraspol warnt man seither davor, dass die „von Chisinau einseitig getroffenen Maßnahmen eine neue Spannungsspirale am Dnjestr in Gang setzen könnten.“ Transnistrien ist jedenfalls bereit, die erforderlichen Schritte einzuleiten. [Sollte es das tun], kann das europäische Vorhaben, die Konfliktparteien miteinander auszusöhnen, in den Wind geschrieben werden.

Ein neuer Konflikt vor Ort

Und in der Tat sieht es ganz danach aus, als würde das gemeinsame Bauwerk nicht halten. Schlimmer noch: In Chisinau und Tiraspol ist in letzter Zeit sogar die Rede davon, dass ein neuer Konflikt vor Ort ausbrechen könnte – mitten in der Sicherheitszone am Dnjestr. Dabei befinden sich in dieser Zone russische Friedenstruppen, die dann zu Geiseln einer Situation würden, welche die Politiker weder in den Griff bekommen können noch wollen.

Auf die Friedenstruppen in Transnistrien einigten sich die Russische Föderation und die Republik Moldau 1992 in einem gemeinsamen Abkommen. Heutzutage ist diese Vereinbarung völlig überholt, meinen sogar die Soldaten. Die Frage, wie sie aktualisiert werden könnte, stellt man sich allerdings weder in Chisinau noch in Moskau.

In einer solchen Situation müssen sich Moskau, Kiew und Brüssel einfach etwas Neues einfallen lassen, als stets und ständig auf einen vermeintlichen Durchbruch bei den Verhandlungen zu setzen. Schließlich wird dieser nicht mehr genügen, um die Spannungen wirksam einzudämmen.

Gegenmeinung

Eine reine Anpassungsmaßnahme

In Chişinau weist die (seit dem Sturz von Ministerpräsident Vlad Filat am 5. März amtierende) Übergangsregierung der Republik Moldau die Spekulationen über einen möglichen Verzicht auf die Region Transnistrien zurück. Die Grenzen Moldawiens seien international anerkannt.

„Es passiert nichts Außergewöhnliches”, wird der stellvertretende Ministerpräsident Eugen Carpov vom rumänischen öffentlich-rechtlichen Radiosender Radio România Actualităţi zitiert.

Bei den Verhandlungen der Republik Moldau mit der Europäischen Union geht es um einen visafreien Reiseverkehr. Wir müssen uns deshalb den europäischen Richtlinien anpassen. Dazu gehört die Kontrolle der Ausländer, die in die Republik Moldau einreisen.

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