Warum sie sich im Handel nicht zu nahe kommen sollten

Eine amerikanisch-europäischen Freihandelszone steht auf der Tagesordnung. Dabei gibt es für Europa mindestens vier gute Gründe, die Finger davon zu lassen, schreibt die liberale Welt.

Veröffentlicht am 13 Februar 2013

Sie wurden NTA und NTMA abgekürzt, TAD, TED und Tafta: lauter Initiativen, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Amerika und Europa vertieft werden sollten; lauter Initiativen, die wieder in der Versenkung verschwanden. Nun gibt es den nächsten Anlauf.

Industrielobbyisten beiderseits des Atlantiks hält es vor lauter Vorfreude kaum mehr auf ihren Stühlen. Die Wirtschaft will es, die Politik macht mit, und im Prinzip ist Freihandel eine gute Sache. Dennoch spricht vieles dafür, auch der jüngsten Initiative mit großer Skepsis zu begegnen.

1. Ein schlechtes Signal für den Rest der Welt

Zölle spielen im transatlantischen Handel eigentlich nur noch deshalb eine Rolle, weil das Volumen des Güteraustausches so groß ist. Europas Chemieunternehmen haben 2010 für ihre Exporte in die USA fast 700 Millionen Euro an den amerikanischen Fiskus gezahlt. Doch der Zollsatz liegt bei durchschnittlich gerade einmal 2,25 Prozent.

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Der Wegfall von Zöllen dieser Größenordnung mag Unternehmen entlasten – für einen gesamtwirtschaftlichen Wachstumseffekt wird er nicht sorgen. Dafür brauchte es einen Durchbruch dort, wo es gar nicht um Zölle geht, die Handelshürden aber beträchtlich sind.

Genau dort aber ist das Potenzial begrenzt – weil mächtige Interessenvertretungen wie die Agrarlobby sich zu wehren wissen und weil die Öffentlichkeit kaum mitziehen dürfte.

So verhindern amerikanische Gesetze eine stärkere Harmonisierung bei der Zulassung von Medikamenten. Europäer wollen kein Hormonfleisch oder Genmais aus den USA importieren. Amerikaner ihrerseits fürchten sich im Gegenzug vor Bakterien in natürlich produziertem Käse aus Frankreich oder importiertem Rindfleisch.

Wie groß die Meinungsunterschiede sind, hat sich bereits bei den Verhandlungen zu einer weiteren multilateralen Handelsliberalisierung gezeigt, die sich seit 2001 unter dem Namen "Doha-Runde" dahinschleppen.

Wenn überhaupt, dürfte ein transatlantisches Freihandelsabkommen löchrig ausfallen – und das ist ein Problem.

Aus Sicht der USA

Die 275 Milliarden-Partnerschaft

In seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstag forderte Barack Obama umfassende Verhandlungen mit der Europäischen Union zur Schaffung einer Freihandelszone. Die „transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“, wie der US-Präsident sie taufte, solle den Handel zwischen Europa und Amerika, der 2012 sich auf rund 480 Milliarden Euro belief, weiter ankurbeln, notiert die The New York Times .

In Brüssel verspricht man sich „von der Partnerschaft rund 275 Milliarden Euro jährlich, sowie die Schaffung von zwei Millionen Arbeitsplätzen“, schreibt der EUobserver.

Die Verhandlungen könnten zwei Jahre dauern. „Die europäischen Vorschriften zur Lebensmittel- und Pharmaindustrie stellen dabei den größten Stolperstein dar“, meint die New York Times. „Ein Abkommen, welches die Vorschriften für Lebensmittel, Automobile, Spielzeug und Medikamente harmonisiert, wäre wichtiger als die Abschaffung der Zollbestimmungen — aber auch viel komplizierter“, schreibt die Tageszeitung und fügt hinzu: „Besonders, da sich die Siebenundzwanzig selbst nicht einig sind.“

Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

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