"Sie besitzen das Charisma eines feuchten Lappens und das Auftreten eines kleinen Bankangestellten." Den Europarlamentariern, die sich auf eine ruhige Plenarsitzung eingestellt hatten, bei der sie zum ersten Mal auf den neuen — und ersten — europäischen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy treffen sollten, verschlug es die Sprache, als sie den Briten Nigel Farage der (euroskeptischen) UK Independance Party losdonnern hörten. Rompuy sei ein "stiller Mörder der europäischen Demokratie" und käme aus einem "Nicht-Land", Belgien.
Jene, die nach den Europawahlen 2009 vorausgesagt hatten, dass der reibungslose Lauf der Parlamentsmaschinerie von den als populistisch eingestuften osteuropäischen Abgeordneten (aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Polen, usw.) gestört werden wird, mussten klein beigeben: Die Parlamentarier dieser Länder erwiesen sich als zurückhaltend und höflich und verschwanden in der Galaxie der "Unabhängigen". Das Pöbeln scheint den Abgeordneten aus dem Westen vorbehalten zu sein, wie dem Islam-Gegner Geert Wilders oder den Euroskeptikern aus Großbritannien.
Die schlechten Manieren der Abgeordneten aus dem Westen
Nach dem Eklat gegen Van Rompuy, ließ der liebenswürdige polnische Parlamentspräsident, der Konservative Jerzy Buzek, Farage vorladen und forderte ihn auf, sich zu entschuldigen. Der Brite erwiderte, dass er, wenn überhaupt, sich bei den "kleinen Bankangestellten" entschuldigen müsse, die er mit dem blassen Ratspräsidenten verglichen hatte. Sie hätten diesen erniedrigenden Vergleich nicht verdient. Dem sehr zivilisierten Buzek verschlug es die Sprache. Das ehemalige Mitglied der Gewerkschaft Solidarnosc ließ verlauten, dass er Farage ein Bussgeld von zehn Tagessätzen auferlegt hätte — 3000 Euro. Lächerlich! ... Farage hat dennoch beschlossen, die Sanktion anzufechten. Die Show kann weitergehen. Im britischen Parlamentsleben, so Farage, gehören derartig heftige Angriffe dazu. Die Abgeordneten unterbrechen und beschimpfen die Redner, was, wenn man so will, zum demokratischen Alltag dazugehört.
Die Abgeordneten aus dem Westen mit ihren schlechten Manieren, schaden der parlamentarischen Demokratie, indem sie eine grundsätzliche Debatte — Van Rompuy fehlt es an Charisma und ist eine denkbar schlechte Wahl für die Ratspräsidentschaft der EU — ins Lächerliche überspitzen: Van Rompuy sei ein "feuchter Lappen" und ein "Mörder der Demokratie". Festzustellen ist diese Art von Diskurs, gespickt mit freiheitsfeindlichen und rassistischen Anspielungen, auch bei den Rechtspopulisten Italiens — die dort mitregieren— sowie bei der Partei für Freiheit (PVV) des Niederländers Geert Wilders, der gute Chancen besitzt bei den kommenden Parlamentswahlen im Juni an die Macht zu kommen.
Verglichen mit der Dreistigkeit dieser Spitzenpolitiker, erscheinen unser Corneliu Vadim Tudor und Gigi Becali, oder deren nationalistische Kollegen Bulgariens, geradezu als höflich und besonnen. Wir können also noch viel von Europa lernen. Zum Beispiel die hohe Kunst des Polit-Kaspers.