Barack Obama mit José Manuel Barroso, Silvio Berlusconi, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy beim G8 in Huntsville, 25. Juni 2010.

Wieder viel Gipfel um nichts

Der von den Spaltungen zwischen Europäern und Amerikanern geprägte G20-Gipfel in Toronto endete mit der Ablehnung der europäischen Vorschläge, insbesondere in Sachen Bankenabgaben und Finanzaufsicht. Nur die – von den 27 unterstützte – Reduzierung der Staatsdefizite wurde verabschiedet.

Veröffentlicht am 28 Juni 2010 um 15:41
Barack Obama mit José Manuel Barroso, Silvio Berlusconi, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy beim G8 in Huntsville, 25. Juni 2010.

"Ein Gipfel, der gar nicht hätte stattfinden brauchen": Das Urteil der Dziennik Gazeta Prawna über den G20-Gipfel dieses Wochenende ist unwiderruflich. "Die Vertreter der G20 lösten in Toronto kein einziges der Wirtschaftsprobleme", heißt es in der polnischen Tageszeitung weiter: "Den einflussreichsten Politikern gelang es nicht, sich auf etwas Greifbares zu einigen". Der Gipfel führte "weder zum Prinzip einer globalen Banksteuer noch zu Instrumenten, um das Kapital der Banken zu verstärken".

"Vier Gipfel später [nach dem G20-Gipfel von 2008 in Washington], Tausende von Bankrotten, Millionen verlorene Arbeitsplätze und Milliarden Euro für Rettungspläne später, und wir stehen immer noch am selben Punkt", findet auch El Mundo. Für die Kollegen von El País ist "das Resultat des Gipfels nicht ermutigend", denn "die doch so dringend nötige Koordination der Wirtschaftspolitik der 20 teilnehmenden Länder wurde nicht angenommen". Auch die französische Zeitung Libération ist der Meinung, die "G’s" seien "am toten Punkt" angelangt: "Der G8-Gipfel in Huntsville und der G20-Gipfel haben mehr Diskrepanzen als Fortschritte über die Krisenbewältigung zutage gelegt. Der Gedanke einer internationalen Bank- oder Finanzsteuer wird auf den St. Nimmerleinstag verschoben, und es haben sich zwar alle dazu verpflichtet, ihre Haushaltsdefizite zu reduzieren, aber jeder unter seinen eigenen Bedingungen."

Comeback der Ichbezogenheit

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung führt der Weg aus der Krise über die Liberalisierung des internationalen Handels – und G8 und G20 haben dieses Wochenende wieder einmal ihre Machtlosigkeit bewiesen: "Als gefährlich für die Zukunft der G20 erweist sich vor diesem Hintergrund das Unvermögen mancher Industriestaaten, den Wünschen und Ansichten der Schwellenländer ernsthaft zuzuhören", schreibt die FAZ insbesondere zum Thema Finanztransaktionssteuer, von welcher die von der Krise verschonten Schwellenländer nichts hören wollten. "Wenn der Wert der G20 darin bestehen soll, europäische Vorstellungen abzunicken, kann man sich den Aufwand sparen. Oder anders gesagt: Wenn die G20 ein ernsthaftes weltwirtschaftliches Forum werden soll, wäre es unrealistische Träumerei, zu erwarten, dass die europäischen Ideen das Maß aller Dinge sind", heißt es abschließend.

"Die G20 feierte das Comeback der Ichbezogenheit", kommentiert seinerseits Le Figaro. "Die Bestimmung einer einvernehmlichen Wirtschaftspolitik, um die Krise zu überwinden, fand kein Gehör. Zwischen einem von der Reduzierung der Staatsdefizite besessenen Deutschland [...], den Vereinigten Staaten, die das Wachstum nicht durch eine zu strenge Sparpolitik hemmen wollen, und einem Frankreich auf halbem Weg dazwischen, sucht man vergeblich eine gemeinsame Richtschnur. Die auf dem Höhepunkt des finanziellen Tumults gebildete G20 hat ihren Nutzen in Krisenzeiten bewiesen. Doch die Zusammenkunft in Toronto hat auch ihre Grenzen gezeigt. Die Einrichtung einer Art globaler Wirtschaftsregierung, die schon auf europäischer Ebene so schwer auszuarbeiten ist, wird noch eine ganze Weile dauern."

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Merkels Pyrrhussieg zur Wählerberuhigung

Dazu erklärt die TAZ: "Die Uneinigkeit bei G8 und G20 zwingt dazu, sich auf die Ebene zu konzentrieren, wo reale Veränderungen möglich sind. Und das bedeutet für die Europäer derzeit: Europa." Und abschließend heißt es: "Dass Merkel und Sarkozy sich nun entschlossen zeigen, die Finanztransaktionssteuer in Europa einzuführen – und bei Widerstand aus London auch auf eigene Faust in der Eurozone einzuführen, ist die beste Nachricht, die von diesem Gipfel ausgeht."

Trotz allem, so bemerkt der EUObserver "wurde die Einigung über die Halbierung der Staatsdefizite bis 2013 als ein Sieg der europäischen Politiker begrüßt". "Durch die Einigung auf dieses Ziel wurde der G20-Gipfel im Zeichen einer Sparpolitik mit deutscher Prägung abgeschlossen", kommentiert dazu La Repubblica. In Kanada "lief kein Spiel zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ab", selbst wenn "es so aussehen könnte, als habe Angela Merkel gewonnen", erklärt die italienische Tageszeitung. "Nachdem es Europa in die Knie gezwungen hat, exportiert Deutschland seine Doktrin nun auf globaler Ebene. Barack Obama, der letzte Keynesianer unter den Staatsoberhäuptern, scheint zurückzuweichen: Er konnte Berlin nicht vom Nutzen einer staatlichen Unterstützung des Wachstums überzeugen. Doch der Schein trügt und Merkels Erfolg wird sich bald als Pyrrhussieg herausstellen. Er soll die Ängste der deutschen Öffentlichkeit beruhigen", die sich eine strenge Sparpolitik wünscht, und er beschleunigt die Marginalisierung Europas, indem er noch schneller "die Geometrie der Macht zu einer neuen Dynamik zwischen Amerika, China, Indien, Brasilien und Russland" verlagert. (pl-m)

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