Auch Araber lieben die Freiheit. Gegner des Mubarak-Regimes in Kairo, 2. Februar 2011

Zukunft braucht Risiko – überall

Gebannt verfolgt die Welt den Umbruch in Ägypten - und auch angstvoll. Was kommt danach, wird schon gefragt. Die Zukunft ist ein Risiko, und hätten nicht auch wir es einst gewagt, wir säßen noch in Höhlen oder lebten unter der Knute, schreibt ein österreichischer Autor.

Veröffentlicht am 4 Februar 2011
Auch Araber lieben die Freiheit. Gegner des Mubarak-Regimes in Kairo, 2. Februar 2011

Ich verbringe in diesen Tagen wie viele andere auch Stunden vor dem Live-Stream von Al-Jazeera, wo man bisher jedenfalls in Echtzeit dabei sein konnte, wie Geschichte geschrieben wird. Mit der Umsturzbewegung in Ägypten erleben wir - nach der demokratischen Revolution in Tunesien - den zweiten Akt des erstaunlichen „arabischen Frühlings“. Oder des „1989 der Araber“.

Und das ist packend und begeisternd: Bürgerrevolutionen in wichtigen arabischen Ländern hatte doch kaum jemand von uns auf dem Radar. Man hat die Bevölkerungen als frustriert und apathisch beschrieben oder gar als leicht manipulierbar von Autokraten und Islamisten. Und jetzt das. Die junge Generation in den Städten ist wohl nicht so viel anders als Studenten im Westen. Sie haben dieselben Wünsche. Und sie leben dank des Internets auch tatsächlich im selben Orbit.

Vielleicht haben Internet und soziale Medien eine viel dramatischere Auswirkung auf das allgemeine Bewusstsein, als wir bisher annahmen. Auch die sogenannten Experten wissen in Wirklichkeit gar nichts: Denn zu viel ist da in den vergangenen ein, zwei Jahren in Bewegung geraten, und das Expertenwissen bezieht sich oft auf lange, historische Erfahrungen, die aber möglicherweise von jüngsten gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen dramatisch überholt wurden, ohne dass die "Experten" das überhaupt bemerkt haben. Weiter zum ganzen Artikel auf der Website des Standard...

Reaktionen

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Europa weiß wie Wandel geht

Die europäischen Reaktionen auf die Ereignisse, die die arabische Welt erschüttern, sind vom „vorsichtigen Schweigen der Politiker“ und einer „gewissen Skepsis gegenüber einer von außen kommenden Veränderung“ gekennzeichnet, schreibt Fernando Vallespir in El País. Der Leitartikler stellt vor allem die Unterschiede heraus zwischen dem Aufruhr auf dem Südufer des Mittelmeeres und den Forderungen, die bei den zahlreichen Demonstrationen in Europa laut wurden: „Während man dort für etwas demonstriert, das man noch nicht hat — Freiheit und Wirtschafsentwicklung — demonstriert man hier, um seine Errungenschaften zu behalten“. Vallespín unterstreicht, dass diese Einstellung die schüchterne Unterstützung der Europäer für diejenigen erkläre, die „nicht damit zufrieden sind, was sie haben und das beanspruchen, an was wir immer geglaubt haben“.

Diese Schüchternheit ist umso augenfälliger, als dass „Europa keinen Einfluss auf den Verlauf einer Reihe von Ereignissen hat, die für seine Zukunft entscheidend sind […]“, bemerkt Timothy Garton Ash im Guardian. Der britische Historiker weist aber darauf hin, dass „niemand mehr Erfahrung in schwierigen Übergängen von der Diktatur zur Demokratie hat als die Europäer. Keine Region hat so viele Werkzeuge zur Hand, um die Zukunft des Nahen Ostens zu beeinflussen. Sicherlich hätten die USA spezielle Verbindungen zu ägyptischen Militärs und den arabischen Königsfamilien, doch Europa habe mehr Handelsbeziehungen und liefere umfangreiche Hilfsgelder. „Außerdem existiert ein enges Netz an persönlichen Beziehungen über das Mittelmeer hinweg […] Dorthin wollen die meisten jungen Araber zum Studium oder um zu arbeiten. Ihre Cousins sind schon da“. Die derzeitigen Umwälzungen seien „zu gleichen Teilen ein Problem und eine Chance“. Daher ist Garton Ash der Auffassung, die EU müsse „schnell, geschmeidig, mutig und innovativ handeln — alles Eigenschaften, die sie normalerweise nicht vorzuweisen hat.“ Denn wenn die arabischen Aufstände Erfolg haben, „werden die jungen Araber über das Mittelmeer kommen, um zu den europäischen Volkwirtschaften ihren Beitrag zu leisten und die Renten einer überalterten Bevölkerung zu zahlen.“ Wenn sie misslingen und die Islamisten an die Macht kommen, „möge uns der Himmel bewahren. Wenn darin kein extremes Interesse für Europa liegt, worin dann?“

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