Alles Kitsch und Ikea

Die lang erwartete Eröffnung der ersten Ikea-Filiale in Sofia wurde von einer Polemik über die verlangten Preise überschattet. Ein Journalist des Landes nahm dies zum Anlass, sich über den Hang seiner Landsleute zum Neuen lustig zu machen, egal zu welchem Preis.

Veröffentlicht am 23 September 2011 um 15:21

Das Wahrzeichen der Fast-Food-Kette ist ein Clown. Kinder lieben es, denn auf den Hamburger kommt als i-Tüpfelchen noch ein Plastikspielzeug oben drauf. Ich erinnere mich noch an den Tag der Eröffnung des ersten Restaurants dieser Kette in Sofia. Die Leute machten sich schick, als würden sie in die Oper gehen. Sie versuchten, Tische im Voraus zu reservieren. Der Sozialismus hatte ihnen sogar beigebracht, dass es sich manchmal lohnte, die Nacht vor verschlossenen Türen zu verbringen, um einer der ersten in der Schlange zu sein, wenn die Kassen geöffnet werden.

Was aus dem Westen kommt muss teuer sein

Bis heute hat sich daran nichts geändert, wenn Geschäfte von großen Westmarken eröffnet werden. Wir haben uns nicht verändert. Obendrein mögen die Bulgaren es, ein bisschen mehr auszugeben. Vielleicht ist auch dies noch eine aus dem Sozialismus mitgenommene Angewohnheit. Alles, was aus dem Westen kommt, muss gefälligst teuer sein. Je glänzender, desto besser! Zu Zeiten des Mangels wurden Preise völlig willkürlich festgesetzt. Nur ein Prinzip war immer maßgebend: Es ist mir egal, ob es teuer ist, wenn ich es nur haben kann! Und außerdem waren wir so arm, dass wir nicht einmal an den wahren Wert der Dinge dachten.

Im Rennen auf den Profit sind die großen Verlierer die ärmsten des Kontinents. Das kommt den kleinen Schlauköpfen der großen Marken zugute, und das wissen sie genau. Man tut besser daran, seine Einkäufe in Mailand zu tätigen als in Sofia, denn dabei kommt man billiger weg. Jahrelang haben wir ungeduldig auf die Eröffnung einer Ikea-Filiale in Sofia gewartet [am 20. September war es endlich so weit], weil wir gehört hatten, dass man dort billig Ware von guter Qualität kaufen könne. Dann haben wir festgestellt, dass die Preise im ersten Ikea-Laden Bulgariens höher waren, als im benachbarten Rumänien. Was für eine Frechheit…

Sparsam sein ist etwas für Westler

Dabei täten die Bulgaren besser daran, sich an dem Gründer Ikeas ein Beispiel zu nehmen. Das ist ein älterer Herr, der immer noch mit seinem alten Auto fährt. Er tauscht es nicht in ein Niegelnagelneues ein. Weil er sparsam ist. Wen man unendlich reich ist, dann ist es leicht, sparsam zu sein. Wenn man arm ist, dann gestaltet sich das Ganze schon schwieriger: Man hat nämlich nichts zum Sparen. Das ist das schwedische Absurdum auf dem Balkan: Man bietet den armen Bulgaren einen Schrank an, der in Griechenland die Hälfte kostet.

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Sparsam sein und ein Auge auf sein Konto haben, damit beschäftigt sich der Westler. Wir hingegen sind Paschas und Spieler; wir sind sogar dazu bereit, aufeinander loszugehen, um teurer einkaufen zu können.

Ich habe mich gefragt, warum Ikea so lange dazu gebraucht hat, sich in Bulgarien anzusiedeln. Ich glaube, dass es daran liegt, dass wir gerne Schund kaufen, aber bitte schön teuer. Einige von uns hofften allerdings, dass Ikea uns beweisen würde, dass selbst billige Dinge haltbar und verlässlich sein können. Doch heute wird die Kette verdächtigt, sich dem Aufstellen typisch baltischer Rechnungen hinzugeben. Denn bei Ikea haben sie sicherlich verstanden, wie die baltische Mentalität funktioniert.

Indianer kaufen für ihr Leben gern Plastikperlen. In deren Preis muss man die Lust der Indianer einbeziehen, Plastikperlen zu kaufen. Wenn der Preis zu niedrig ist, wären sie vielleicht enttäuscht... Das ist natürlich ein bisschen schade, aber so ist es eben. Doch hallo, es ist immer noch Ikea, das nach Bulgarien kommt. Dafür kann man schon ein wenig Ellbogengedrängel in der Warteschlange auf sich nehmen! (sd)

Kontext

Ikea - jetzt überall in der EU

Auch das letzte Land der EU hat jetzt sein Ikea. Am 20. September hat das erste Ikea-Kaufhaus am Ortsrand von Sofia in Bulgarien eröffnet. Dies löste eine Kontroverse aus. Der Lokalpresse zufolge sind die Preise des schwedischen Einrichtungshauses (eigentlich ein Franchis-Unternehmen der griechischen Gruppe Fourlis, die die Läden in Athen und Thessaloniki leitet) in Bulgarien höher als in anderen europäischen Ländern. Diese Tatsache hinderte die Bulgaren aber nicht daran, vor dem Laden Schlange zu stehen, um ihn als einen der ersten zu betreten. Bulgarien ist das letzte Land der europäischen Union, das ein Geschäft des schwedischen Einrichtungsriesen erhält, der seit 1991 nach Osteuropa expandierte.

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