Wartende am internationalen Omnibusbahnhof von Sofia, Bulgarien.

Briten, macht die Augen auf!

Die bulgarische und rumänische Immigrationswelle von 2014 wird nicht so hoch schlagen wie ursprünglich von der Regierung erwartet, so ein neuer offizieller Bericht. Das sei allerdings kein Grund, die Konsequenzen zu ignorieren, die eine langfristige Immigration auf Städte- und Sozialwesen ausüben wird, heißt es im konservativen Daily Telegraph.

Veröffentlicht am 5 April 2013 um 15:36
Wartende am internationalen Omnibusbahnhof von Sofia, Bulgarien.

Im Jahr 2014 werden Großbritannien und andere europäische Länder ihren Arbeitsmarkt für Bulgarien und Rumänien öffnen. Dann nämlich laufen die befristeten Einschränkungen ab, die beim EU-Beitritt der beiden Staaten eingerichtet wurden. Diverse Minister haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nichts dagegen tun können, wenn Migranten nach Großbritannien kommen wollen: Sogar die umstrittene Werbekampagne, die die Neuankömmlinge davon überzeugen sollte, dass Großbritannien letztendlich auch nicht so toll ist, wurde auf die lange Bank geschoben.

Die Frage ist also nicht, wie wir die Einreise der Neuzugänge stoppen können, sondern vielmehr, ob wir uns auch ausreichend darauf vorbereiten. Was das betrifft, so lautet die Antwort eindeutig Nein. Es ist zugegebenermaßen schwierig, überzeugende Schätzungen über den Zustrom zu erarbeiten, doch die jüngsten Bemühungen, die das Nationale Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung im Auftrag der Regierung anstellte, erreichen ungeahnte Höhen der Schwammigkeit.

Lieber zu viel als zu wenig Vorkehrungen

Die Autoren des Berichts erklären, Großbritannien sei „kein bevorzugtes Ziel“ für Bulgaren und Rumänen, fügen jedoch hinzu, dass sich das durchaus noch ändern könnte. Etwas so Prosaisches wie zahlenmäßige Schätzungen wird zwar nicht angeboten, doch ganz allgemein werde die Zahl der neuen Migranten weit unter den von MigrationWatch UK angekündigten 50.000 pro Jahr liegen und es bestehe wirklich kein so großer Grund zur Sorge.

Dies ist alarmierend selbstgefällig. Die Zahl der neuen Einwanderer ist zwar tatsächlich unbekannt, doch es ist gewiss besser, zu viele als zu wenige Vorkehrungen zu treffen. Andererseits passt das natürlich zum allgemeinen Versäumnis, sich auf die Folgen der Migration vorzubereiten. So führte etwa der Anstieg der Geburtenrate, der durch die neuen Migranten ausgelöst wurde, zu einem enormen Druck auf die Schulen: Auch ohne einen einzigen neuen Schüler aus Sofia oder Bukarest braucht England schon über 400 neue Grundschulen pro Jahr, um die Lage meistern zu können. Das gleiche gilt für alle öffentlichen Dienste.

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7 Städte bräuchten die Neulinge

In ihrem beeindruckenden Artikel von letzter Woche wiesen Frank Field und Nicholas Soames darauf hin, dass wir – sogar wenn wir die Nettoimmigration irgendwie auf 40.000 pro Jahr beschränken könnten, was zu einer Bevölkerung von 70 Millionen Menschen im Jahr 2030 führen würde – immer noch „die Entsprechung der Städte Birmingham, Manchester, Liverpool, Bradford, Leeds, Sheffield, Glasgow, Bristol und Oxford zusammen“ bauen müssten, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen. Das Problem ist so dringend, argumentieren sie, dass die EU die Freizügigkeit der Arbeitskräfte in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vielleicht unterbrechen muss.

Derzeit stehen die Chancen dafür herzlich schlecht. Deshalb ist es die Pflicht der Politiker – auf beiden Seiten des House of Commons –, ein bisschen weniger Getue und eine Menge mehr Planung an den Tag zu legen. Sie müssen nicht nur herausfinden, wie sie die Immigration begrenzen können, sondern auch, wie sie garantieren können, dass der öffentliche Dienst auf lokaler und nationaler Ebene mit den Auswirkungen eines unaufhaltsamen Bevölkerungswachstums auf unserer immer überlaufenen Insel fertig werden kann.

Aus Sicht Bukarests

Nicht persönlich nehmen

„Die Engländer verabscheuen uns nicht”, versichert die rumänische Nachrichtenseite Hotnews :

Man darf diese Dinge ­– wie die Engländer sagen – nicht persönlich nehmen, auch wenn sie von der Presse ausgeschlachtet und von einigen britischen Politikern zu Wahlkampfzwecken benutzt werden. Wir sind die Sündenböcke einer Wirtschaftskrise, die mit einer Krise der Europäischen Union zusammenfällt, in der Diskussionen über Immigranten die öffentliche Agenda dominieren!

Trotzdem ist es in den Augen von Hotnews heutzutage „nicht leicht, in Großbritannien Rumäne zu sein”. Die negativen Informationen über Rumänen lassen ein Gefühl der Fremdenfeindlichkeit entstehen, „das von einigen Politikern wie der United Kingdom Independence Party-Kandidatin Diana James aufgegriffen wird. Bei den Wahlen in Eastleigh behauptete sie, dass Rumänen eine Vorliebe für Kriminalität hätten!”. Sie musste sich für diesen Satz öffentlich entschuldigen, landete am Ende aber mit 28% der Stimmen auf Platz Zwei.

Die Webseite berichtet außerdem über eine Petition im Internet, die Maßnahmen gegen die Immigration von Bulgaren und Rumänen fordert. Diese hat schon 140 000 Unterschriften gesammelt und soll am 22. April im britischen Unterhaus debattiert werden.

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