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Eine der vier Bomben des Crashs vom 17. Januar 1966 konnte aus dem Meer an Bord der USS Petrel geborgen werden.

Wie Palomares die Bombe überlebte

Im Jahre 1966 stürzte ein amerikanischer Bomber mit vier Wasserstoffbomben über dem spanischen Bauerndorf Palomares ab. Seitdem versucht die Kommune ihren Ruf wiederherzustellen und will jetzt ein Museum eröffnen. Aber es bleibt immer noch ungeklärt, was mit der verstrahlten Erde geschehen soll.

Veröffentlicht am 28 Februar 2011 um 14:45
Kazubon  | Eine der vier Bomben des Crashs vom 17. Januar 1966 konnte aus dem Meer an Bord der USS Petrel geborgen werden.

Wenn man sich in Palomares (Almería) über eine Sache einig ist, dann darüber, dass alle 1500 Anwohner langsam die Nase voll haben. Schon über 45 Jahre tragen sie nun das Kreuz der thermonuklearen Bomben, die die USA auf den Ort fallen ließen; sie sind der Politiker – die eigenen Kommunalpolitiker ausgenommen – und ihrer ewigen leeren Versprechungen überdrüssig. Sie sind es leid, dass die Fachleute erst jetzt langsam ihre Geheimniskrämerei aufgeben. Sie verabscheuen auch die Presse, weil diese ein falsches Bild ihres Ortes verbreitet hat.

Gleiches gilt auch für die amerikanische Delegation, die den Ort am 21. Februar besuchte, um sich der Sauberkeit des Gebietes zu vergewissern. An die Amerikaner richteten sie nur eine einzige Bitte: sie mögen doch die verseuchte Erde wegschaffen. Etwas anderes blieb ihnen gar nicht übrig. Wenn es soweit sein sollte, plant das Rathaus einen Themenpark über die Geschichte der Technologie einzurichten: von der Bronzezeit bis zum Atomzeitalter.

Die Bombe fiel nach Unfall eines B-52-Bombers

„Palomares hat mit einem sozialen und wirtschaftlichen Stigma zu kämpfen“, sagt der Bürgermeister des Ortes, Juan José Pérez, als er das Bauprojekt eines Themenparks zu den Zivilisationen des Mittelmeerraumes und ihrer Technologien vorstellt. Die als Museum und Vergnügungspark gedachte Anlage soll auf dem Gebiet entstehen, wo eine der vier Bomben an jenem 17. Januar 1966 niederging, nachdem oben am Himmel ein riesiger B-52-Bomber mit seinem Versorgungsflugzeug für Treibstoff zusammengestoßen war.

Das besagte Gebiet umfasst ungefähr 40 Hektar. Im Norden und Süden ist es von Ackerflächen gesäumt, im Westen grenzt es an ein Wohngebiet und im Osten liegt der Ortsfriedhof. Es ist durch einen Zaun abgetrennt und mehrere Schilder des staatlichen Forschungszentrums für Energie, Umwelt und Technologie (Ciemat) verbieten den Zugang zum Areal. „Außerhalb dieses Gebietes kann man mit einem Geigerzähler keine Strahlung messen“, erklärt der Vertreter der lokalen Umweltaktivisten, Igor Parra. „Aber innerhalb des Zauns, kann man sehr wohl die Strahlung messen“, fügt er in Begleitung des Bürgermeisters von Palomares und des Paläontologen und Gewinners des Príncipe de Asturias-Forschungspreises, Eudald Carbonell, hinzu.

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Dieser ist einer der beiden Direktoren der Atapuerca-Stiftung (benannt nach dem bedeutenden Fundort von europäischen Hominiden in Burgos) und könnte zum Verantwortlichen des zukünftigen Parks werden. „Bis jetzt handelt es sich nur um ein angedachtes Projekt“, erklärt Carbonell. „Ich bin Fachmann für prähistorische Technologie, aber ich habe ein großes Interesse an der Veränderung der Gesellschaften durch die Technologie“, sagt er weiter.

Amerikaner wollen säubern, Spanier wegschaffen

Das Gebiet um Palomares befindet sich im Herzen des Areals von El Agrar, das vor 4.000 Jahren eine der fortschrittlichsten menschlichen Siedlungen in Europa war. Deshalb würde der historische Rundgang des Parks auch dort beginnen und mit dem Zeitalter der Kernkraft abschließen. Aber bevor der Themenpark in Angriff genommen werden kann, muss das Gebiet zunächst von der Strahlung gereinigt werden.

Die Amerikaner möchten das Gelände gern säubern, während die Spanier sich wünschen, sie würden den radioaktiven Müll wegschaffen. „Für die Entfernung der radioaktiven Stoffe sind beide Regierungen verantwortlich: die amerikanische und die spanische“, sagt Carbonell. Das wäre für ihn die einzige Möglichkeit, den dort angerichteten Schaden zu begrenzen. Beide Varianten sollen untersucht werden: die Dekontaminierung des Bodens inklusive des großen logistischen Aufwandes oder eben die Verschickung des Mülls in die USA.

Der Ruf der Gegend ist im Keller

„Dieser Besuch ist ein positives Signal, aber es bleibt die Frage, ob die Amerikaner auch wirklich den Müll entsorgen“, fragt sich der Umweltschützer Parra. „Wir stehen kurz vor einer Entschädigung“, fügt er hinzu. Laut Parra hätten die Amerikaner nach den Bomben „ein Sechstel des Problems beseitigt, nämlich 1.500 Kubikmeter Erde“. Heute müssten sie noch über 6.000 Kubikmeter entsorgen. „Aber die Lösung in Palomares ist keine rein finanzielle Angelegenheit, sondern es geht um historische Gerechtigkeit und die kann nicht mit Geld aufgewogen werden“, sagt der Umweltschützer, der in der Nähe lebt.

Im Dorf herrscht tiefes Misstrauen. In einer Bar verfolgen einige Anwohner im Fernsehen die Nachrichten über den Bau des Themenparks und den Besuch der Experten aus den USA. „Die sollen kommen und die Erde mitnehmen, denn sie haben schon genug Schaden angerichtet“, sagt Andrés, der Sohn des Wirts im Café „102 Tapas“. Aber er meint dabei nicht den Schaden durch die Plutoniumstrahlung. Er meint den Ruf der Gegend, der im Keller sei. Ich stamme von hier, wie meine gesamte Familie auch und wir sind alle gesund. Meine Großeltern sind mit 90 Jahren gestorben, an Altersschwäche“, erzählt er. Aber es sind doch die Alten, die am meisten leiden müssen. Das hat der Bürgermeister schon heute Morgen gesagt. „Den ganzen Tag schon sind Medien aus allen Ländern hier“, sagt Juan José Pérez. „Die Anwohner sind es leid“.

Aus dem Spanischen von Ramona Binder

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