Kopfzerbrechen über Griechenland

Umschulden, um Griechenland zu retten: Nach und nach setzt sich diese Idee durch, auch wenn sich Regierungen und Wirtschaftsexperten nicht alle einig sind. Für die europäische Presse muss vor allem schnellstens eine dauerhafte Lösung gefunden werden.

Veröffentlicht am 18 Mai 2011 um 14:01

Mit einem Euphemismus haben die Finanzminister am 17. Mai den Weg für eine Umschuldung der griechischen Staatsschulden freigemacht: „Reprofiling“, ein Wort, das die Gläubiger nicht brüskieren soll. Ein Wort, das konkret bedeutet, dass die Eurogruppe eine „Umschuldung light“ ins Auge fasst, wie der Aufmacher des Handelsblatt betitelt ist.

Das Wirtschaftsblatt erklärt, dass es vier mögliche Wege zur Bewältigung der griechischen Schuldenkrise gebe:

- Neue Darlehen, um Griechenland Wachstum zu sichern, anders gesagt, eine Fortsetzung der aktuellen Politik. Ein Szenario, das von den Ökonomen als unrealistisch eingestuft wird.

- Eine „sanfte Umschuldung“, wo die Gläubiger geringeren Zinsen und längeren Laufzeiten zustimmen.

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- Eine radikalere Umstrukturierung der Schuldenlast, bei der die Gläubiger teilweise auf ihre Forderungen verzichten.

- Und zuletzt der Ausstieg aus der Euro-Zone.

Für die Gläubiger habe der Countdown für eine Beteiligung der privaten Investoren an der Umschuldung, für sie ein Verlustgeschäft, begonnen, meint das Handelsblatt.

Die Bundesregierung habe bereits Gespräche mit Banken, Versicherungen und Fonds geführt, die griechische Obligationen halten. „Die Deutsche Bank etwa hat intern eingeräumt, dass sie sich auf einen Forderungsverzicht von 20 bis 30 Prozent einstellt ... und vorgesorgt hat. ... Gleichwohl ist der weiche Schuldenschnitt — für radikalere Schritte gibt es unter den Regierungschefs der Eurozone derzeit keinen Konsens — wohl nur ein Zwischenschritt zu härteren Maßnahmen. Es gibt kaum noch einen maßgeblichen Ökonomen, der den teilweisen Schuldenerlass nicht empfiehlt.

Der unsichere Stand der Dinge sei eine „Geduldsprobe für Griechen-Anleger“, schreibt ihrerseits die Financial Times Deutschland. Doch für das zweite deutsche Wirtschaftsblatt sei die „weiche“ Umstrukturierung der Schulden schon gescheitert, bevor sie überhaupt offiziell beschlossen wurde.

Die Laufzeitverlängerung wird das Schuldenproblem des Landes nicht lösen können. Dafür ist die finanzielle Entlastung einfach zu gering.

Von den Griechen selbst ist dabei nicht mehr viel zu erwarten. Auch wenn die Regierung bei ihren Besuchen in Berlin und Brüssel gern beteuert, noch mehr sparen zu wollen: Es wird ihr kaum gelingen.

Stärker als auf die Griechen wird es also auf die restlichen Europäer ankommen — allen voran die Deutschen. Nur wenn sie klarmachen, dass es ihnen mit der Griechenland-Rettung ernst ist und dass sie keine „harte“ Umschuldung zulassen werden, können die Investoren das Vertrauen in den Schuldner Griechenland zurückgewinnen. Dazu gehören auch weitere Hilfskredite, aber eben nicht zu drakonisch hohen Zinsen.

In Athen werden die Diskussionen mit Besorgnis verfolgt. Ta Nea spricht auf ihrer Titelseite vom „Europäischen Spiel um die Zustimmung“, denn die Europäische Union fordere die Zustimmung der konservativen Opposition zur Sparpolitik als Bedingung für einen neuen Kredit in Höhe von 50 bis 60 Milliarden Euro. „Brüssel spielt mit dem Feuer“, meint in seinem Leitartikel der Journalist Giorgos Papachristos.

Zum ersten Mal spricht der Präsident der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker von einer Laufzeitverlängerung. Doch zuvor werden Sparmaßnahmen, mehr Privatisierungen und vor allem eine Zustimmung verlangt. Die Zustimmung der konservativen Opposition. Indem Brüssel den Druck auf die politische Klasse erhöht, wird daraus eine Bedingung. Im Falle eines Scheitern stehen uns vorgezogene Neuwahlen ins Haus.

Auch in London fordert man eine rasche Lösung. Denn Griechenland, meint The Guardian, könne zu den neuen „Lehman Brothers“ werden, jene Bank, deren Bankrott im Jahr 2008 Auslöser der Finanzkrise wurde. Für den Journalisten Larry Elliot gibt es zwei Vorgehensweisen:

Die erste besteht darin, aus der Währungsunion eine politische Union zu machen und Haushaltsmechanismen zu schaffen, die Transferleistungen in einem einheitlichen Steuerraum ermöglichen. Dies würde den Ehrgeiz der Gründerväter des Euro erfüllen und zeigen, dass der aktuelle Kompromiss inhärent instabil ist.

Die zweite wäre, sich die Niederlage einzugestehen und vorsichtig ausgearbeitete Pläne für ein Europa der zwei Klassen anzukündigen. Die Peripherie wäre an die Kernländer durch feste, aber justierbare Wechselkurse gebunden.

Keine dieser Optionen ist wahrscheinlich, selbst wenn die Lehman-Pleite die Grenzen der derzeitigen Bastelei aufzeigt. Die Zukunft der Euro-Zone entscheidet sich nicht in Athen oder Lissabon, sondern in Paris und in Deutschland. Die beiden Schwergewichte haben tonnenweise politisches Kapital in dieses „Projekt“ investiert und werden alles daransetzen, dass es weder einen Bankrott noch einen Aussteiger geben wird.

In Madrid notiert El Pais:

Das Paradoxon der Haushaltskonsolidierung plagt Griechenland und macht Irland sicherlich Angst: Die eingeforderte Haushaltsdisziplin wiegt auf dem Wirtschaftswachstum und reduziert somit die Fähigkeit der hilfsbedürftigen Länder, ihre Schulden zurückzuzahlen. Es gibt nur einen Weg aus der Sackgasse: drastische Lohnkürzungen in den Schuldenländern müssen die Reformen zur Haushaltskonsolidierung begleiten.

Für Brüssel besteht die Gefahr, dass Griechenland Vorreiter für das sein wird, was Irland und Portugal noch bevorsteht. Doch eins ist sicher: Berlin und Paris werden das Scheitern der Rettung Griechenlands nicht zulassen. Es wäre ein demoralisierender Präzedenzfall. Aus diesem Grund zeigen sie bereits mehr „Verständnis“ für einen zusätzlichen Rettungsschirm für Griechenland.

In Amsterdam hingegen schreiben der Jurist und Historiker Thierry Baudet und der Ökonom David Hollanders in De Volkskrant:

Die Mehrheit der niederländischen, deutschen, britischen und finnischen Bürger — was in einer Demokratie nicht unerheblich ist — glauben nicht wirklich an die Zahlungsfähigkeit Griechenlands. ... Um solche Krisen in Zukunft zu vermeiden, sollte man, wie es der niederländische Ökonom Harrie Verbon nennt, eine „mächtige Instanz“ in Betracht ziehen, die Haushaltsdisziplin durchsetzen kann. ... Langsam bewegen wir uns in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa. Wollen wir das? Wenn das der Preis der Gemeinschaftswährung ist, dann ist er vielleicht zu hoch.

(js)

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