"Massive Menge von geheimen Akten aufgedeckt: die Wahrheit über die Besatzung", heißt es im Leitartikel des Guardian. Rund90.000 Dateien über den Krieg in Afghanistan wurden durch eine der wohl bedeutendsten Sicherheitslücken in der Geschichte der US-Armee der Londoner Tageszeitung sowie der New York Times und dem deutschen Spiegel über die Plattform Wikileaks zugespielt. Die Dateien, so enthüllt der Guardian, "liefern ein verheerendes Bild des scheiternden Kriegs in Afghanistan".
Zu diesem Bild gehören etwa Details darüber, wie rapide die Anschläge der Taliban in den letzten sechs Jahren zugenommen haben – trotz der intensivierten Bemühungen der Koalition, die Taliban-Führung durch eine geheime "schwarze" Sondereinheit "aufgreifen oder töten" zu lassen, um sie ohne Gerichtsverhandlung außer Gefecht zu setzen. Ebenfalls enthüllt wird, dass die USA Beweise über den Erwerb von tödlichen Boden-Luft-Raketen durch die Taliban vertuschten und dass die Koalition zunehmend auf Drohnen zurückgreift, um Taliban-Angriffziele per Fernsteuerung von einem Stützpunkt in Nevada aus zu suchen und zu vernichten. Weiter gibt es belastende Beweise dafür, dass die Nachbarländer Pakistan und Iran den Aufstand tatkräftig unterstützen.
Ganz weit des von negativen Assoziationen befreiten öffentlichen Images einer Koalition, welche die afghanischen "Herzen und Köpfe" überzeugen will, ist auch der Beweis für mindestens 195 verschwiegene Ziviltote. Zu den "blue on white" Zwischenfällen, wie sie im Militärjargon genannt werden, "gehört auch der Tag im Jahr 2008, an dem französische Soldaten einen Bus voller Kinder beschossen, wobei acht Kinder verletzt wurden. Ähnlich beschoss auch eine US-Patrouille mit Maschinengewehren einen Bus und verletzte bzw. tötete dabei 15 Passagiere. Und 2007 bewarfen polnische Soldaten ein Dorf mit Granaten und töteten in diesem augenscheinlichen Racheanschlag eine Hochzeitsgesellschaft, darunter eine schwangere Frau."
In Deutschland konzentriert sich Der Spiegel auf den Krieg der Bundeswehr. "In dem am Anfang des Einsatzes von Bundeswehrsoldaten noch als "Bad Kunduz" verspotteten Städtchen im Norden, wo viele deutsche Soldaten stationiert sind, ist es mit der Ruhe seit geraumer Zeit vorbei – spätestens seit dem 19. Mai 2007. Damals wollten drei deutsche Soldaten auf einem Markt in der Stadt Kühlschränke kaufen. Ein Selbstmordattentäter zündete seine tödliche Ladung in ihrer Nähe. Außer den Bundeswehrangehörigen starben noch acht afghanische Zivilisten. Es war der erste gezielte tödliche Angriff gegen deutsche Soldaten in der Region."
"Ganz gleich wie man es darstellt", ist im Leitartikel des Guardian zu lesen, "dies ist kein Afghanistan, das die USA oder Großbritannien bald geschenkverpackt mit rosa Schleife an eine souveräne Staatsregierung in Kabul übergeben werden. Ganz im Gegenteil. Nach neun Jahren Krieg droht das Chaos zu überwältigen. Ein Krieg, bei dem angeblich um die Herzen und Köpfe der Afghanen gefochten wird, kann so nicht gewonnen werden." (pl-m)