Die nebulösen Geschäfte der EU-Agenturen

Intransparent, verschwenderisch, für Interessenkonflikte anfällig: Die zwei Dutzend ausgelagerten Sonderbehörden der Union entwickeln ein Eigenleben, das weder finanziell noch demokratisch akzeptabel ist.

Veröffentlicht am 30 März 2012

Genau 6157 Euro: So viel kostet eine Sitzung des Verwaltungsrates der EU-Lebensmittelagentur Efsa. Und zwar pro Person. Ob die 15 Aufsichtsräte auf güldenen Sänften zu den Sitzungen nach Parma getragen wurden und dort pochierte Wachteleier speisten, während sie sich durch die Tagesordnung pflügten, ist nicht überliefert. Überliefert ist dank der unermüdlichen rumänischen Europaabgeordneten und Korruptionsjägerin Monica Macovei hingegen sehr wohl, welches Amtsverständnis diese Leute haben. Allein im Jahr 2010 gab Efsa 49 Millionen Euro für externe Aufträge in Sachen „Kommunikation und Verwaltung“ aus.

Das riecht nicht nur nach Quersubventionierung. Das ist eine.

Das ist nicht der einzige Missstand bei den derzeit 24 EU-Agenturen. Thomas Lönngren, Ex-Chef der Arzneimittelbehörde in London, wechselte zu Jahresbeginn fast nahtlos in die Pharmabranche. Nella Frewen, langjährige Brüssel-Lobbyistin des US-Saatgutkonzerns Monsanto und heute Chefin des Lobbyingverbands der Nahrungsmittelindustrie, soll jetzt einen der Efsa-Verwaltungsratsposten übernehmen.

Doch auch bei Nichtregierungsorganisationen hat man bisweilen kein Gefühl dafür, was sich gehört und was nicht: Die Chefin der Umweltagentur in Kopenhagen fuhr während ihrer Dienstzeit mit einigen ihrer Mitarbeiter in die Karibik. Zur Erforschung der Biodiversität. Und zwar für die Umweltorganisation „Earth Watch“ – aber auf Kosten der Steuerzahler. 2000 Euro pro reisendem Agenturmitarbeiter stellte „Earth Watch“ in Rechnung. Das riecht nicht nur nach Quersubventionierung. Das ist eine.

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Wie kann all das passieren? Ganz einfach: Weil sich niemand verantwortlich fühlt. Fragt man die Europäische Kommission, was sie gegen die Missstände bei den Agenturen zu tun gedenkt, erhält man stets dieselbe Antwort: Uns sind die Hände gebunden, die Geschäftsordnungen der Agenturen sehen kein Durchgriffsrecht vor, schon vor Jahren habe man einen Vorschlag zur Aufsichtsreform vorgelegt.

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