Dreiecksverhältnis

Veröffentlicht am 13 Januar 2012 um 15:25

Europa kommt in Bewegung. Bis jetzt merkt man nur zarte Flügelschläge, doch die Signale sind gesetzt: Seitdem die Schuldenkrise das Fortbestehen der Einheitswährung gefährdet, hat das Duo “Merkozy” tatsächlich die Zügel der Eurozone in die Hand genommen, kommt jetzt aber durch einen dritten Mitstreiter ins Wanken.

Als Italien kurz vor dem Zahlungsausfall stand und es so aussah, als würde es die gesamte Einheitswährung mit sich reißen, wurde Mario Monti unter Zeitdruck ernannt. Nun scheint er entschlossen, Rom den Platz in Europa wiederzugeben, den sein Vorgänger mangels Interesse und Glaubwürdigkeit frei gelassen hatte. Nämlich den der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Eurozone.

Der Spieleintritt des ehemaligen EU-kommissars, der sich im Gegensatz zu Silvio Berlusconi im Ausland eines hohen Ansehens erfreut, ist in vielerlei Hinsicht eine gute Nachricht und wird von der italienischen Presse sehr begrüßt. Zum Einen, weil das Einverständnis zwischen Berlin und Paris weitaus mehr geprägt war von der Notwendigkeit, eine Lösung aus der Krise zu finden, als aufgrund der Wahlverwandtschaft zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy. Die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident haben es im Übrigen nie geschafft, eine mögliche gemeinsame Zukunftsvision des Euros oder Europas abzuliefern, die ihre europäischen Partner und die Europäer im Allgemeinen hätte begeistern können. Ganz im Gegenteil scheinen sie ziellos im Dunkeln zu tappen.

Zum Anderen, weil man durch die Erweiterung des “Vorstands” von Euroland seine Repräsentativität stärkt — und damit seine Legitimität, insofern es eine gibt. Und zu guter Letzt aus Gründen des Gleichgewichts: Wie schon der Wirtschaftswissenschaftler Jean-Paul Fitoussi beim Treffen zwischen Sarkozy und Monti vor einigen Tagen in Paris beobachtete, hat Frankreich ab sofort einen Verbündeten gegenüber einem Deutschland, das gewollter oder ungewollter Weise, dominiert und es bis jetzt geschafft hat, bei seinen Partnern seine Lösung aus der Krise durchzusetzen: Disziplin und Sparen.

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Genau wie Nicolas Sarkozy ist Mario Monti der Auffassung, dass sein Land, was die Sparpläne betrifft, genug gegeben hat, und dass es nun an der Zeit sei, sich um das Wachstum zu kümmern. Die Europäische Union soll hierfür mittels des Stabilitätsfonds und der Zentralbank der Motor sein. Deutschland ist dazu aufgefordert, sich dem nicht in den Weg zu stellen. Diese Sichtweise wird von den anderen südeuropäischen Ländern mit Spanien an der Spitze, geteilt. Der italienische “Professore” hat sich in gewisser Weise zu ihrem Wortführer gemacht, vor allem als er die Deutschen vor der Verbitterung warnte, die eine zu harte Strenge von Seiten Berlins bei den Italienern auslösen könnte.

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Doch das sich neu abzeichnende Trio ist nicht weniger störanfällig als das alte Duo: Sarkozy kämpft im April um sein Mandat und Merkel muss sich ständig gegenüber einer blasser werdenden Koalition rechtfertigen. Monti, der nicht gewählt wurde, stützt sich auf eine bunt zusammengewürfelte Mehrheit, von der ein Teil (angefangen bei den Anhängern Berlusconis und der Lega Nord) keine Sekunde zögern würde, um ihn aus dem Amt zu hebeln, wenn für sie die Möglichkeit bestände, das Ruder an sich zu reißen. Insofern bleibt ihm nur wenig Zeit, Europa aus der Krise zu ziehen, wenn er dazu in der Lage ist. Das kommt nun zufällig einmal gelegen, denn für die Rettung des Euro wird die Zeit auch knapp.

Aus dem Französischen von Signe Desbonnets

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