Das ungarische Parlament bei der Abstimmung der Verfassungsänderung am 11. März 2013. Die sozialistische Opposition hat das Halbrund verlassen und aus Protest Ausrufezeichen auf den Tischen hinterlassen.

Eine gegen Demokratie abgesicherte Macht

Die Regierung Viktor Orbán hat mit der jüngsten Verfassungsänderung die demokratischen und rechtstaatlichen Grundsätze in seinem Land weiter unterhöhlt, während die EU-Kommission tatenlos zusehen muss, bedauern die europäischen Medien.

Veröffentlicht am 12 März 2013 um 16:35
Das ungarische Parlament bei der Abstimmung der Verfassungsänderung am 11. März 2013. Die sozialistische Opposition hat das Halbrund verlassen und aus Protest Ausrufezeichen auf den Tischen hinterlassen.

Premierminister Viktor Orbán hat [am 11. März] eine vierte Novellierung der aus dem Jahr 2011 stammenden Verfassung mit der Unterstützung seiner Partei, der Fidesz mit einer Zweidrittelmehrheit, durch das Parlament gebracht.

Der Financial Times zufolge sollen unter anderem:

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die Rechte des Verfassungsgerichts beschnitten und einige Aspekte des neuen Grundgesetzes, das im Januar 2012 verabschiedet, dann jedoch unter dem Druck aus Brüssel aufgegeben wurde, wieder eingeführt werden.

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Die Süddeutsche Zeitung verurteilt den „Stich ins Herz des Rechtsstaats“, den die ungarische Regierung ihrem Land verpasst hat. Die Münchner Tageszeitung berichtet:

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Der Populist Viktor Orbán beherrscht viele Rollen. Seine liebste ist die des Retters der Nation, der Ungarn vom Kommunismus befreit, traditionellen Werten wieder zur Geltung verhilft und die Ehre des Landes verteidigt. [...] Eine zweite Revolution hatte Orbán zum Start seiner Amtszeit angekündigt, und es sieht so aus, als wäre der ungarische Staat bald wirklich nicht mehr jener, der er war. [...] Auf Mahnungen aus Brüssel hin schlüpft Orbán stets in seine zweitliebste Rolle: die des guten Demokraten und überzeugten Europäers, der Verständnis für die Sorgen der Partner zeigt, zu Hause ein paar Kleinigkeiten ändert – um dann zum nächsten Schlag anzusetzen. Der jüngste trifft das Herz des Rechtsstaats: die Unabhängigkeit der Justiz. Die größte Gefahr für die Nation, diesmal droht sie von ihrem größten Verehrer.

Die portugiesische Tageszeitung Público bemerkt ihrerseits, der ungarische Regierungschef,

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der alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Stellung vor demokratischen Exzessen zu schützen, wurde telefonisch von José Manuel Durão Barroso gewarnt. Aber er hat die Warnung einfach ignoriert. [...] Will Ungarn wirklich in der Europäischen Union bleiben und gleichzeitig deren Grundsätzen widersprechen? Diese ernste Frage muss klar beantwortet werden und gegebenenfalls Folgen haben.

eit der Wahl von Viktor Orbán im Jahr 2010, stellt Le Monde fest, „spielen Budapest und Brüssel Katz und Maus. Wobei die ungarische Maus sehr agil und die europäische Katze eher unbeholfen und langsam ist“. Und jetzt „steckt Europa in einer Zwickmühle“:

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Es ist nicht einfach, die Regierung eines Mitgliedsstaats zu maßregeln, die demokratisch gewählt wurde. Die Europäische Union verfügt in einem solchen Fall nur über eine „Atomwaffe“: die Aufhebung des Stimmrechts des betroffenen Landes in Brüssel. Die EU hat jedoch die gescheiterte Einmischung der übrigen Mitgliedsstaaten in Österreich in schlechter Erinnerung behalten. 2000, als Jörg Haider mit seiner Freiheitlichen Partei in die Regierungskoalition eintrat, verzichteten die Europäer letztendlich auf ihre völlig wirkungslosen Proteste. Brüssel könnte auch finanzielle Sanktionen verhängen, weil Ungarn die strukturelle Hilfe dringend braucht. Aber dieses Druckmittel, das sicher überzeugender wäre, wird derzeit noch nicht erwogen. [...] „In Europa steckt die Demokratie in Schwierigkeiten“, meinte Viktor Orbán ohne Umschweife vor einem Jahr in dieser Zeitung. Mit dieser Behauptung hat er zweifelsohne ins Schwarze getroffen.

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