Nicolas Sarkozy und Angela Merkel in Berlin, 20. Juli.

Frau Merkel, Herr Sarkozy, zeigen Sie Größe!

Die Griechenlandkrise muss bewältigt und die Gemeinschaftswährung gerettet werden. Die Herausforderungen des Krisengipfels sind enorm und verlangen, dass die deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident endlich Verantwortung übernehmen, fordert der Direktor der Tageszeitung Le Monde.

Veröffentlicht am 21 Juli 2011 um 08:34
Nicolas Sarkozy und Angela Merkel in Berlin, 20. Juli.

„Keine spektakulären Fortschritte.“ Es sei nichts Signifikantes vom Krisengipfel zur Rettung Griechenlands und des Euro am 21. Juli in Brüssel zu erwarten... Die Worte Angela Merkels vom Dienstag waren, so bleibt zu hoffen, eine Antiphrase, ein Versuch der deutschen Kanzlerin die Erwartungen herunterzuschrauben, um besser überraschen zu können.

Es geht heute nicht mehr an, dass man abwartet. Man hat schon zu lange abgewartet. Das Außergewöhnliche, das Spektakuläre ist nun Notwendigkeit. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy müssen zusammenarbeiten. Und sich einigen.

Zu lange dauert die griechische Tragödie schon an. Die Krise ist keine Schuldenkrise mehr, sondern eine Euro- und Führungskrise, kurzum eine Europa-Krise. Unentschlossen und uneinig können die Europäer unentwegt den abgenutzten und geplatzten Reifen flicken, wie sie es seit achtzehn Monaten machen. Damit kann die Reise zwar eine Zeit lang weitergehen, das Problem selbst wird so aber nicht geregelt.

Die laufenden Verhandlungen zwischen den großen Zahlmeistern der Eurozone sind nicht auf der Höhe dessen, was auf dem Spiel steht. Jeder versucht, seine Interessen zu verteidigen, ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl. Ein trauriges Spektakel, das explosiv werden kann. Weitere Flickschusterei — wie beispielsweise dem Stabilitätsmechanismus, jenem Fonds, der den Schuldenländern beistehen soll, neue Munition zu verschaffen — erlaubt es vielleicht, die Reise fortzusetzen... für den Moment. Bis zur nächsten Explosion. Hört man nun, dass ein neuer Lösungsansatz die Bankenabgabe sein soll, weiß man nicht mehr ob das zum Weinen oder zum Lachen ist! Ein Flicken mehr wäre das, nichts weiter.

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Nach Griechenland, Irland und Portugal sind andere Länder betroffen — Italien und Spanien. Die Epidemie ist Wirklichkeit geworden. Die Integration, die Wettbewerbsfähigkeit und vielleicht die Existenz der Europäischen Union sind bedroht. Man muss dies mit großer Geste bewältigen. Man muss den Reifen wechseln.

Die Verantwortung obliegt Nicolas Sarkozy und Angela Merkel. Die einzigen derzeit in Europa, die sich in der grassierenden Krise über die individuellen Interessen im Sinne des Gemeinwohls hinwegsetzen können. Und Gemeinwohl bedeutet für alle Beteiligten die Rettung des Euro, was sicherlich nur über weiteren Souveränitätstransfer zu erreichen sein wird. Der Euro ist mehr als nur die Währung von 350 Millionen Europäern. Es ist unser aller Gut und eine der wichtigsten Devisen der Welt. Einige in Deutschland behaupten, sie könnten ohne den Euro auskommen. Es ist falsch.

Die Globalisierung bedeutet nicht Uniformisierung, sondern Regionalisierung: Die Welt von Morgen wird sich in Blöcke aufteilen — unter anderem über die Währung —, die auf Augenhöhe verhandeln. Deutschland irrt, wenn es meint, ohne Europa stärker zu sein. Frau Merkel und Herr Sarkozy stehen heute in ihrer politischen Karriere vor einer historischen Wahl — eine Wahl, bei der die unmittelbaren nationalen Interessen hintenan stehen müssen. Sie müssen einen Ausweg finden: eine außergewöhnliche Krise verlangt außerordentliche Lösungen.

Aus dem Französischen von Jörg Stickan

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