

Nun „haben die Atomkraftgegner in ganz Europa starken Aufwind“, berichtet Le Figaro: So in Deutschland, wo Angela Merkels CDU/FDP-Regierung im Herbst 2009 über die Verlängerung der Laufzeiten der 17 deutschen Kraftwerke abstimmen ließ […]. So in Österreich, das üblicherweise gegen Kernenergie ist. Dort setzte sich Umweltminister Nikolaus Berlakovich für einen Stresstest der europäischen Kraftwerke ein […]. In Großbritannien, wo die Regierung Camerons das Bauprogramm für Kernkraftwerke wiederbelebt und im Oktober acht neue Standorte in Betracht gezogen hatte, befürwortete Energieminister Chris Huhne eine Untersuchung der ‚notwendigen Lehren‘, die man aus dem Vorfall zu ziehen habe; und das, obwohl im Juni eine Entscheidung über die Rückkehr zur EPR-Technologie von Areva und EDF ansteht.“

Damals, als Tschernobyl havarierte, konnte Deutschlands Atomindustrie sich selbst und seinen Bürgern weismachen, dass dort in Osteuropa eben veraltete Reaktoren und unfähige, schlampige Ingenieure im Einsatz seien. Westliche Reaktoren hingegen, so hieß es, sind moderner, besser gewartet - einfach sicher. Nun zeigt sich, wie überheblich diese Selbstgewissheit ist. Wenn ein Unglück wie dieses in Japan geschehen kann, dann bedeutet es, dass es auch in Deutschland geschehen kann, es braucht bloß die entsprechende Kette fataler Umstände. Fukushima ist überall.“
Seit Jahren „werden Sicherheitsbedenken laut vorgetragen, wenn es um die Kernkraftwerke in Osteuropa wie Mochovce [in der Slowakei] oder Temelin [in der Tschechischen Republik, nicht weit von der österreichischen Grenze entfernt] geht“, erinnert Der Standard. Sobald es sich aber um deutsche Kraftwerke dreht, „ist die Kritik verhaltener“. Obwohl beispielsweise „seit Jahren bekannt ist, dass das deutsche AKW Neckarwestheim in Baden-Württemberg in einem erdbebengefährdeten Gebiet liegt“.
Diese Verwundbarkeit zeigt, dass „die zentralen Fragen nicht eindeutig zu beantworten sind: Ist die Technik beherrschbar? Können Kernkraftwerke sicher betrieben werden? Kann eine sichere Entsorgung gewährleistet werden?“ Es ist die Aufgabe der EU, „eine Überprüfung der Kernkraftwerke in Europa“ in Angriff zu nehmen, meint die Zeitung. Für sie geht „der Vorschlag [des österreichischen] Umweltministers Nikolaus Berlakovich, einen europaweiten Stresstest für AKWs durchzuführen, in die richtige Richtung“.

Gewiss darf der Unfall von Fukushima nicht unterschätzt werden, schreibt Kolumnist Sergio Rizzo im Corriere della Sera. Jedoch „dürfe man die grundlegenden Entscheidungen unserer Energiepolitik nicht von der verständlichen Ergriffenheit abhängig machen, die diese Tragödie ausgelöst hat. Das haben wir bereits getan und uns gehörig die Finger verbrannt: Das [italienische] Anti-Atom-Referendum war 1987 so erfolgreich, weil der Tschernobyl-Unfall einen solchen Schock ausgelöst hatte.“ Anstatt jedoch den Weg für die versprochenen grünen Energien freizumachen, hat diese Abstimmung über die Schließung der italienischen Kraftwerke vor allem zur Abhängigkeit vom Erdöl geführt.

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