Analyse Ökokorridore

Für die „grünen Schlagadern“ Europas ist zu wenig Geld da

Der Aufbauplan der EU stellt den Mitgliedstaaten riesige Geldsummen zur Verfügung. Mittel für den Umweltschutz machen allerdings weniger als ein Prozent des Gesamtbudgets aus. Wenn man Ökokorridore als grüne Schlagadern Europas betrachtet, dann verblutet der Kontinent gerade.

Veröffentlicht am 19 Januar 2023 um 09:28

EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, mindestens 37 % der Gelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität nach der Coronapandemie (RRF, insgesamt 750 Milliarden Euro, basiert auf den Preisen von 2018) für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben. Bis jetzt sind aber nur sehr kleine Beträge für den Umweltschutz vorgesehen.
Die NGOs EuroNature und CEE Bankwatch Network haben die Aufbaupläne der EU-Mitgliedstaten in Mittel- und Osteuropa analysiert. Sie stellten fest, dass keine neuen Maßnahmen zum Ausbau von Schutzgebieten an Land oder im Meer oder zur Wiederherstellung von Flüssen vorgeschlagen wurden, und dass weniger als 0,3 % der Ausgaben aus den zehn geprüften Maßnahmen in biologische Vielfalt investiert werden.

Nur einer von je 100 Euro

„Unsere Untersuchungen haben für die Finanzierung des Schutzes der biologischen Vielfalt einen Mangel an Quantität und Qualität ergeben“, meint Pippa Gallop, Expertin für Finanzen und Biodiversität bei CEE Bankwatch Network.

„Qualität ist das andere Problem: Ein Großteil des für die Erhaltung und Wiederherstellung verfügbaren Geldes fließt in Maßnahmen, die eher zu einer verstärkten Abholzung hochwertiger Wälder führen werden, oder in Hochwasserschutzprojekte, die wichtige Lebensräume schädigen.“

Im Juni 2021 stellte Vivid Economics fest, dass weniger als 1 % der bereitgestellten Mittel für Wiederherstellungs- und Erhaltungsmaßnahmen wie Aufforstung, Agroforstwirtschaft, Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Stadtbegrünung verwendet werden. 

Gleichzeitig könnten nach Schätzung der Forscher Investitionen von 3,7 Millionen Euro in naturbasierte Lösungen in nur vier Ländern (Bulgarien, Frankreich, Italien und Polen) über einen Zeitraum von 15 Jahren 172.000 Arbeitsplätze und wirtschaftliche Aktivitäten im Wert von 7 Millionen Euro generieren.

Die Finanzierungslücke und das Wort mit G

EU-Gelder stehen zwar zur Verfügung, aber „in den Mitgliedstaaten haben Wiederherstellung und Erhaltung keinen Vorrang“, meint Gallop.

Zusätzlich zum RRF-Fonds fließen die Kohäsionsgelder aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) wie gewohnt weiter. Dieses von 2014-2020 laufende Programm (aus dem mehrjährigen EU-Haushalt) ist noch nicht abgeschlossen, das neue für 2021-2027 aber schon angelaufen.

Diese Überscheidung beispielloser Geldbeträge ist laut der EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen Elisa Ferreira eine „Herausforderung“. Unterschiedliche Finanzierungsquellen haben unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Fristen, und sind unterschiedlich flexibel.

Nach den von der Kohäsionsdatenplattform erhobenen Daten belaufen sich die geplanten Mittelzuweisungen aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (ERDF) und dem Kohäsionsfonds im Rahmen des EU-Haushalts für 2014-2020, deren Durchführung noch bis Ende 2023 läuft, auf über 10 Millionen Euro.


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In der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 sind mehrere Ziele für die Finanzierung der biologischen Vielfalt festgeschrieben, unter anderem die Bereitstellung von 20 Milliarden Euro jährlich.

Eine Studie des Instituts für Europäische Umweltpolitik kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen 2021 und 2030 mindestens 48 Millionen Euro jährlich investiert werden müssen, um die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 zu erreichen. Pro Jahr werden durchschnittlich schätzungsweise 15 Millionen Euro aus dem mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) und 14 Millionen Euro Ausgaben der Mitgliedstaaten eingesetzt. Daher besteht eine Finanzierungslücke von fast 19 Millionen Euro pro Jahr zwischen 2021 und 2023 (insgesamt 187 Milliarden Euro).

Gallop fügt hinzu, dass „nicht wirklich Kriterien gibt, um festzustellen, was „grün“ ist und was nicht. Ebenso wie „umweltfreundlich“ ist es nur ein Etikett, das alle …

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