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Ein paar Kilometer vor der Küste der EU gelegen, sind die die Kanalinseln Isle of Man, Jersey und Guernesey zu einer Steueroase für Milliadäre geworden, die vor dem Fiskus fliehen. Eine Flucht, deren Bekämpfung durch europäische Kampagnen den Haushalten dieser Inseln schadet.

Veröffentlicht am 30 August 2013 um 11:14
Bob Embleton  | Guernsey

Die Isle of Man ist weiterhin ein beliebtes Ziel für Flüchtlinge. Nur landen sie nicht in Booten wie in Tarifa oder an der andalusischen Küste, sondern an Bord von Privatjets. Sie werden nicht von der Polizei empfangen, sondern von livrierten Chauffeuren, die sie in einem Bentley, einem Porsche oder im schlimmsten Fall einem Ferrari (die Insel hat die höchste Konzentration von Luxuswagen der Welt) abholen.

Sie versuchen nicht verzweifelt, Hunger und Armut, sondern dem 50-prozentigen Spitzensteuersatz, mit dem Großbritannien die Reichsten zur Kasse bittet, zu entrinnen und ihr Geld vor dem Fiskus zu verbergen.

Die Isle of Man mag der Rezession entkommen sein – die Insel verzeichnet seit einem Vierteljahrhundert ein stetiges Wachstum und verbuchte letztes Jahr einen Zuwachs von stolzen 2,5 Prozent – nicht jedoch den Haushaltskürzungen. Wie auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey hinterlässt auch hier die internationale Kampagne zugunsten der Beschränkung der Privilegien der Steueroasen und der Transparenz ihre Spuren.

Im Steuerparadies leiden die Bürger

Sie führte zu einem Rückgang der Kapitalzuflüsse und einem Haushaltsdefizit, das nicht die Millionäre, sondern die Bürger tragen müssen. [[Robin Hood hat die Reichen beraubt hat, um den Armen zu helfen, hier werden jedoch die Armen geschröpft]], damit es den Reichen weiterhin gut geht.

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„Wenn man unser Finanzsystem vernichtet, bricht bei uns alles zusammen, wir werden uns in eine Art Liverpool verwandeln, nur mit schlechterem Wetter“, meint der Premierminister der Isle of Man, Alan Bell, der anlässlich des letzten G-8-Gipfels versprach, am Kampf gegen den Steuerflucht teilzunehmen und „der Sorgen Londons und der Europäischen Union Rechnung zu tragen“, ohne sich allerdings zu konkreten Maßnahmen zu verpflichten. Das ist verständlich. Auf den Finanzsektor entfällt ein Viertel der Wirtschaftsleistung der Insel.

Es gibt keine Körperschaftssteuer und der Spitzensteuersatz beträgt 10 Prozent und die Steuern sind ungeachtet des Einkommens auf 125.000 Euro pro Jahr beschränkt. Erbschaften und Wertzuwächse werden nicht besteuert. In einem Wort, ein Paradies für Millionäre.

Die Steueroase inmitten der Irischen See ist ein besonderer Ort, der für sein Motorradrennen [Tourist Trophy], seine beiden Raumfahrtprogramme, seinen Staatssekretär für Raumfahrt und den Reiseveranstalter Excalibur Almaz bekannt ist, der als Erster seit dem Apollo-17-Flug vor nun schon mehr als vierzig Jahren Menschen auf den Mond befördern will. Die Rentner der Insel fungieren als Statisten in den zahlreichen Kino- und TV-Produktionen (bislang rund fünfzig Filme) und freuen sich über die niedrigen Steuern.

Ausgegeben wird woanders

Der Reichtum ist allerdings rein elektronisch, technisch gesehen wird er in London, New York und Saint-Tropez genossen. Die Seepromenade der Inselhauptstadt Douglas erinnert nicht wirklich an die prachtvolle Croisette in Cannes. Es gibt keine sagenhaft schönen Villen, weil die betuchten Eigentümer nur theoretisch auf der Insel ansässig sind.

Die Häuser und Geschäfte sehen weder besser noch schlechter aus als in anderen Orten im Norden von England. Die Löhne und Gehälter der 80.000 Einwohner (beinahe alle weiß) ähneln den Einkommen in Großbritannien, nur das Leben auf dem Eiland ist viel teurer. Die Mieten sind hoch und alle Lebensmittel müssen per Schiff oder Flugzeug importiert werden.

Und nun sind Haushaltskürzungen in Höhe von rund 35 Millionen Euro angesagt. Mit Ausnahme der Gesundheit und der Bildung müssen alle Ministerien den Gürtel enger schnallen. Am schlimmsten sind Zeitarbeiter betroffen, die fünf Jahre auf der Insel ansässig sein müssen, bevor sie auf Sozialversicherung Anspruch haben.

Und all das, weil London beschlossen hat, sich seinen Teil an der Umsatzsteuer auf Glücksspiele zu sichern, die jedes Jahr beinahe 5 Milliarden Euro einbringt (60 Prozent des Haushalts), und nebenbei die Besteuerung der Reichen zu erhöhen. „Das ist die schlimmste Krise, an die ich mich erinnern kann, und wie Sie sehen, bin ich nicht mehr der Jüngste“, klagt die Rentnerin Norma Cassell in einem Teesalon im Zentrum von Douglas.

Königstreue trotz eigener Steuerhoheit

Die Kanalinseln Jersey und Guernsey, die nur 15 Kilometer vor der französischen Küste liegen, haben denselben Status wie die Isle of Man: Sie gehören weder zum Vereinigten Königreich noch zur Europäischen Union, sind keine Überseegebiete oder Kolonien, sondern unabhängige Besitztümer der britischen Krone mit ihren eigenen Hymnen und Fahnen. Sie schwören der Queen ewige Treue und zahlen London eine Gebühr für ihre Verteidigung und diplomatische Vertretung, erlassen jedoch ihre eigenen Gesetze und besitzen vor allem ihr eigenes Steuersystem.

Allein auf Jersey sind hinterzogene Steuern in Höhe von rund 600 Milliarden Euro auf Konten und in Investmentfonds von fünfzig internationalen Banken versteckt. Die Hälfte der 98.000 Einwohner sind Bankangestellte, Buchhalter, Rechtsanwälte und Finanzberater. [[Die Insel erinnert an einen großen Country-Club.]] Um Mitglied zu werden, muss man mindestens elf Jahre ansässig sein, ein Vermögen von 8 Millionen Euro besitzen und eine Villa im Wert von 2 Millionen Euro erwerben.

Die Plakate am Flughafen der Hauptstadt Saint Helier werben für Steuerberater und Immobilienverwalter, nicht für Fast-Food-Ketten. Wie in Douglas fehlt es auch hier an prunkvollen Gebäuden. Normale Häuser, einige davon ziemlich vernachlässigt, dieselben Filialisten wie in anderen Städten. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt 22.000 Euro und liegt damit höher als in Großbritannien.

Die Bauern (so werden auf Jersey all jene genannt, die nicht Millionäre sind oder im Finanzsektor arbeiten) müssen aber eine 3-prozentige Mehrwertsteuererhöhung hinnehmen, die den Rückgang der Kapitalzuflüsse infolge der immer strengeren Überwachung der Steueroasen wettmachen soll. „In Frankreich hätte das schon zu einer Revolution geführt. Es ist unglaublich, dass die Armen für die Millionäre zahlen müssen“, echauffiert sich Edith Newman, die in einer Apotheke beschäftigt ist. Es ist die gleiche Geschichte wie auf der Isle of Man.

„Alle sprechen über die Krise, aber es gibt Steueroasen, weil die herrschenden Klassen und die Regierungen es so wollen. Das ist alles nur Theater. Jersey allein hat das britische Bankensystem mit 200 Milliarden Euro versorgt. Die Insel ist ein Sicherheitsventil, das in der Finanzkrise wie gerufen kam“, erklärt ein Vermögensverwalter in seinem Büro am Royal Square. „Wenn die Staaten Geld brauchen, dann schöpfen sie die Renten und Gehälter ab, nicht die großen Vermögen.“ Das ist ein offenes Geheimnis, das mit der Flaschenpost von den Schatzinseln kam.

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