Klimawandel: sechs entscheidende Monate

Im Juni wählen die Bürgerinnen und Bürger der EU ein neues Parlament. Auch in Russland und den USA stehen 2024 Wahlen an. Was von jetzt bis Juni passiert, ist von größter Bedeutung für unseren Planeten. Doch sind wir uns dessen bewusst genug? Wie jeden Monat haben wir in Zusammenarbeit mit Display Europe die europäische Medienberichterstattung zu den Themen Umwelt und Klima unter die Lupe genommen.

Veröffentlicht am 10 Januar 2024 um 15:31

In den letzten Wochen haben führende Politiker aus aller Welt mit ihren kontroversen Positionen zum Klimaschutz Schlagzeilen gemacht und damit gezeigt, dass es heute deutlich weniger Engagement in der Umweltpolitik gibt. 

Diyora Shadijanova in The Guardian bringt es auf den Punkt: Manche Politiker „haben kein Interesse daran, unseren Planeten zu retten.” So wie der britische Premierminister Rishi Sunak, der mehr Zeit damit verbrachte, in seinem Privatjet zur COP28 zu reisen, als an der Konferenz teilzunehmen. Auf dem Gipfel in Dubai hielt er jedoch doch noch eine Rede, in der er die Entscheidung bekräftigte, wichtige klimapolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Erderwärmung aufzugeben. Ein Trend in rechten und rechtsextremen Parteien aller westlichen Länder, in denen seit langem eingegangene Klimaschutzverpflichtungen aufgegeben werden. Ob es die Freiheitspartei von Geert Wilders in den Niederlanden, die neuseeländische Nationale Partei, die deutsche AfD oder die kanadischen Konservativen sind… sie alle rudern derzeit zurück. 

Eine Entwicklung, die die französische Klimaforscherin Valérie Masson-Delmotte in einem Interview mit Reporterre bestätigt. Sie ist der Meinung, „dass die Werte der Regierungen, der regionalen und lokalen Behörden seit Jahrzehnten in einem Modell verwurzelt sind, das den heutigen Herausforderungen nicht mehr gerecht wird.” Außerdem, erklärt sie, „wollen Milliardäre ihren extrem emissionsintensiven Lebensstil beibehalten”, und „die Wirtschaftsakteure verstehen nicht, dass es dringend notwendig ist, die Praktiken zu ändern und von fossilen Brennstoffen wegzukommen (...) Die große Herausforderung besteht jetzt darin, mögliche und zudem wünschenswerte Alternativen in ausreichendem Umfang aufzuzeigen”, warnt sie. 

Dabei sind die Folgen des Klimawandels jetzt bereits für alle sichtbar, wie die extremen Wetterereignisse eindrucksvoll zeigen. In Dänemark verursachten die jüngsten Stürme im Oktober erhebliche Kosten und spiegeln einen weltweiten Trend wider, bei dem klimabedingte Schäden zu einem vorübergehenden Anstieg des BIP während des Wiederaufbaus führen. Doch bevor Sie sich jetzt freuen: Das ist nur eine kurzfristige Erscheinung. Je schlimmer der Klimawandel und je später der grüne Übergang, desto mehr kostet er den Wohlstand, erklärt die dänische Tageszeitung Information.

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In Argentinien steht das deutsche Tanklagerlogistik-Unternehmen Oiltanking Ebytem wegen eines Ölteppichs vor Bahía Blanca in der Kritik. Die taz hatte auf Umweltrisiken hingewiesen, die mit diesen industriellen Tätigkeiten verbunden sind.

Das EU-Parlament erlebte im vergangenen Jahr eine seiner größten Pleiten, als es keine Einigung über ein Gesetz zur Reduzierung von Pestiziden erzielen konnte und auch die Diskussion über die ökologischen Konsequenzen lässt seitdem zu wünschen übrig. Pestizide sind zwar aus der modernen Landwirtschaft nicht wegzudenken, doch ihr unsachgemäßer Einsatz birgt Risiken für die Lebensmittelsicherheit und die Gesundheit. Die Balkanländer sind mit zusätzlichen Problemen konfrontiert, weil die Standards nicht mit denen in Europa übereinstimmen, erklären Katerina Topalova-Dejanovska, Dalibor Stupar, Gjon Rakipi und Jerina Rakipi in der albanischen Wochenzeitung Tirana Times.

In Österreich spricht die zur Wissenschaftlerin des Jahres gekürte Glaziologin Andrea Fischer mit dem Kurier über die eindeutigen Auswirkungen des Klimawandels auf das Bergeis. Ihre Sorge um die Gletscher ist groß und ihre Gefährdung zeigt, wie viel ernster der Klimawandel jetzt genommen werden müsste.

Die Copernicus-Daten bestätigen, dass das Jahr 2023 das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen war, was einen düsteren Meilenstein darstellt. Nach Ansicht von Ferdinando Cotugno ist die Transformation der Erde bereits in vollem Gange. Das Problem sei jedoch, dass sie noch zu langsam fortschreite und die Probleme daher ausgeklammert oder als Randerscheinungen wahrgenommen würden. Doch, warnt der Journalist in der italienischen Tageszeitung Domani „die Klimakrise wartet nicht auf uns und das Zeitfenster, um die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden, wird immer kleiner. Die Frage ist nicht mehr, was zu tun ist, sondern wann und wie lange es dauern wird, bis wir handeln.”

Während ich diese Presseschau schreibe, schneit es in Italien. Das mag als gutes Zeichen für einen doch nicht so rasanten Klimawandel gewertet werden. Die Wahrheit ist jedoch, dass der Winter dadurch nicht verschwinden wird. Klimatologen warnen auf der spanischen Internetplattform Maldita vor dem Irrglauben, dass die Erwärmung extreme Kälteereignisse ausschließt, und nennen Beispiele wie den Sturm Filomena in Spanien und die starken Schneefälle in München. In Spanien, wo der Temperaturanstieg im Sommer stärker ist als im Winter, ist bereits eine Verschiebung der Temperaturverteilung zu beobachten.  

Der Spezialist für Umweltgeopolitik, François Gemenne, erinnert daran, dass die Bekämpfung des Klimawandels eine globale Perspektive erfordert. Im Green European Journal argumentiert er, dass Europas Klimazukunft nicht nur von den eigenen Maßnahmen, sondern auch von den globalen Entwicklungen abhängt. Gemenne betont, dass Europa mit den Entwicklungsländern zusammenarbeiten, Investitionen in deren Energiewende anregen und kohlenstoffarme Technologien weltweit verbreiten muss. Andernfalls riskiere die EU, „eine dekarbonisierte Insel in einem [weltweiten] Meer von Kohlenstoff” zu werden.


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Werfen wir einen Blick nach Russland. Dort wurden vor Kurzem internationale Nichtregierungsorganisationen wie Bellona, Greenpeace oder der World Wildlife Fund als „unerwünscht” eingestuft und damit wichtige Stimmen zu ökologischen Fragen ausgeschaltet. Laut Moscow Times bedeutet diese antiwestliche Haltung ein hartes Durchgreifen gegen Umweltschützer, was nicht nur ihren Einfluss in Russland einschränkt, sondern auch die globale Zusammenarbeit in Umweltfragen behindert.

Über Russland hinaus sind die demokratischen Werte dieses Jahr wie vielleicht nie zuvor in Gefahr. Bei den Wahlen in wichtigen Ländern wie den USA, Russland, Indien und der EU könnten nationalistische und konservative Parteien an die Macht kommen, die weniger bereit sind, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen.

Um dem entgegenzuwirken, wird die Rolle der Bürger entscheidend sein. Der Chefredakteur von EUobserver, Alejandro Tauber, unterstreicht die Bedeutung einer starken Zivilgesellschaft, die einen ständigen Dialog zwischen Bürgern, politischen Entscheidungsträgern und NGOs ermöglicht. Dieser vernetzte Ansatz soll sicherstellen, dass auch nach diesen Wahlen Klimamaßnahmen den Anliegen der Menschen entsprechen und zur Lösung drängender globaler Probleme beitragen.

„Der Druck auf unser aller Schultern ist scheinbar groß”, schreibt Federica Di Sario in Politico. Tausende Menschen arbeiten in Brüssel an neuen Klimagesetzen, die Verhandlungen sind jedoch oft ergebnislos und frustrierend, was bei vielen zum Burnout führt. Therapeuten raten daher allen dazu, Nachrichten in regelmäßigen Abständen zu checken, anstatt sich permanent auf dem Laufenden zu halten. Das Problem mit dem Klimastress haben mittlerweile viele Nichtregierungsorganisationen erkannt und bieten Workshops zum Wohlbefinden und zur psychischen Gesundheit an.

Nach einem Jahr der Klimakatastrophen, in dem das Klimabewusstsein gestiegen ist, beginnt nun ein neues, das voller Chancen steckt und entschlossenes Handeln fordert. Daher kümmern Sie sich um Ihre Lieben, anstatt der Öko-Angst zu erliegen, und sorgen Sie mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln dafür, dass unsere Politiker ihren Job machen.

Ich wünsche Ihnen ein glückliches neues Jahr, eines, das zählt!

In Zusammenarbeit mit Display Europe, kofinanziert von der Europäischen Union. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologie wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.
ECF, Display Europe, European Union

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