Der zentrale Campus der The Hague University.

Oxford am Polder

Mehr Studienplätze, geringere Studiengebühren, Kurse in Englisch: Für zahlreiche junge Briten bietet ein Studium in den Niederlanden einen Weg, der Universitätsmisere ihrer Heimat zu entkommen.

Veröffentlicht am 30 August 2011 um 14:46
Jeroen Musch/atelierPRO/Flickr/CC  | Der zentrale Campus der The Hague University.

Was Ritwik Swain (19) tut, sei für britische Studenten immer noch „Avantgarde“, sagt er. Er studiert nämlich im niederländischen Groningen. Vor einem Jahr hatte er noch nie von dieser Stadt gehört. Er wusste überhaupt nichts von niederländischen Universitäten. Zwei Wochen später wohnte er in einer Jugendherberge und war als Bachelor-Student in Psychologie eingeschrieben. Und er würde heute nichts mehr daran ändern wollen. „Ich mache etwas ganz besonderes für britische Studenten: Ich sammle internationale Erfahrung und spare eine Stange Geld“, erklärt er seinen Eltern am Telefon.

Eigentlich wollte Swain sich an der Universität Warwick immatrikulieren, nach Oxford und Cambridge die beste In England. Im Frühjahr schickte er seine Bewerbung samt Lebenslauf und Referenzen an fünf verschiedene Unis. Drei machten ihm ein Angebot: Er könne kommen, wenn er als Note ein A und 2 Bs vorweisen könne. Am „results day“, jenem Tag, an dem die Schulen die Zensuren bekannt geben, stellte sich heraus, dass er nur ein B und zwei Cs bekommen hatte. „Ich hätte noch an die Universität Coventry gekonnt, aber das war viel schlechter als Warwick“, erzählt Swain. Er suchte nach einer anderen Möglichkeit und fand sich binnen zwei Wochen in die Niederlanden wieder.

10 000 Euro jährlich in Großbritannien, 1700 in den Niederlanden

Nach diesem Sommer wird Swain wahrscheinlich Gesellschaft von vielen Landsleuten bekommen. In der Heimat steigt die Zahl der Studenten, die keinen Studienplatz ergattern stetig. Darüber hinaus verleitet die Verdreifachung der Studiengebühren auf 9000 Pfund (mehr als 10.000 Euro) viele dazu, sich im Ausland umzusehen.

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Die Niederlande, wo Briten für 1700 Euro im Jahr studieren können, scheinen da sehr gefragt. Die Universität Maastricht, die acht Bachelor-Studiengänge in englischer Sprache anbietet, verzeichnet bis dato 450 Voranmeldungen aus Großbritannien. Ob alle Kandidaten kommen, ist noch fraglich, aber das Interesse sei dennoch wesentlich größer als im Vorjahr. In der Universität Groningen, die neue englischsprachige Bachelor-Programme anbietet, meldeten sich ebenfalls Hunderte von Studenten.

„Von allen Europäern sind die Briten traditionell am wenigsten reiselustig“, erklärt der Unternehmer Mark Huntington, der 2006 eine Agentur gegründet hat, die britische Studenten über Studiengänge im Ausland informiert. „Und wenn sie gingen, dann nach Australien oder in die Vereinigten Staaten.“ Die europäischen, geschweige denn die niederländischen Universitäten fanden wenig Beachtung.

Die Niederlande sind das drittbeliebteste Land

„Aber in nur zwei Jahren änderte sich das rasant. Fragte anfangs nur jeder zehnte Student nach Informationen über die Niederlande, erkundigen sich in diesem Jahr mehr als die Hälfte. Die Niederlande sind mittlerweile das drittbeliebteste Land nach Australien und den USA“, erklärt Huntington, der in diesem Jahr für zehn niederländische Fakultäten Studenten rekrutiert.

„Geld ist der Hauptgrund, warum Briten nach Studiengängen in den Niederlanden suchen“, sagt Huntington. Aber inzwischen kämen sie auch für die Inhalte. „Die Ausbildung in den Niederlanden ist oftmals praxisorientierter und bereitet besser auf das Berufsleben vor. In Großbritannien ist ein Diplom an sich nichts Außergewöhnliches. Die Unterschiede werden auf dem Arbeitsmarkt gemacht.“

Die niederländischen Institutionen empfangen die Briten mit offenen Armen. „Für uns ist es eine neue, aber wichtige Gruppe, denn für unsere anderen Studenten ist es gut, ihr Englisch zu hören“, erklärt ein Sprecher der Universität Groningen. Die britischen Studenten passen auch gut ins internationale Profil der Universität Maastricht. „Wenn sie motiviert sind“, wie ein Sprecher betont. „Denn bei ihnen daheim, kommt man auf eine Uni, hat man es geschafft. Bei uns hingegen findet man zwar leichter einen Studienplatz, aber man fällt auch schneller durch. Dessen müssen sich die Briten bewusst sein“.

Aus dem Niederländischen von Jörg Stickan

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