Ein Jahr nachdem gewalttätige Demonstrationen in Georgien die prorussische Regierung zur Rücknahme eines umstrittenen Gesetzes gezwungen haben, steht das georgische Parlament kurz davor, einen ähnlichen Text zu verabschieden. Dies führt zu massiven Protesten in Tiflis und anderen Städten, weil der Gesetzentwurf einem russischen Gesetz aus dem Jahr 2012 nahekommt, das der Kreml zur Unterdrückung der Zivilgesellschaft einsetzt.
Während das georgische Gesetz vom letzten Jahr nationale und internationale Beobachter wegen seiner antidemokratischen Inhalte beunruhigte, geht die Sorge diesmal deutlich weiter. Es ist von einer verheerenden Bedrohung für den Zustand der georgischen Demokratie die Rede, wofür es gleich mehrere Gründe gibt: Erstens wurde Georgien im Dezember 2023 der Status eines EU-Kandidaten zuerkannt, obwohl die Europäische Kommission zu der Einschätzung gelangte, dass die georgische Regierung die meisten von der EU festgelegten Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Dies weckte zwar die Hoffnungen der prowestlichen Georgier, trug aber auch dazu bei, dass Georgian Dream (GD, die regierende pro-russische Partei) ihren Slogan „In Richtung Europa mit Würde“ rechtfertigen konnte.
Zweitens wurde der Gesetzesentwurf nicht mehr bloss wie im letzten Jahr von einer Gruppe antiwestlicher Abgeordneter der Partei initiiert, sondern er wurde diesmal von der GD selbst vorgeschlagen und unterstützt, was eine neue offen antiwestlichen Haltung offenbart, die offiziell von der Regierungspartei des Landes unterstützt wird. Kurz darauf, sechs Monate vor den entscheidenden Parlamentswahlen, rechtfertigte der Oligarch und GD-Chef Bidsina Iwanischwili die Neuausrichtung der georgischen Außenpolitik weg vom Westen.