Süd-Euro oder deutsche Rettung?

Veröffentlicht am 23 Juli 2012 um 12:51

„Spanien besitzt so gut wie keine finanzielle Glaubwürdigkeit mehr“, schreibt Ambrose Evans Pritchard in The Daily Telegraph.

Die finanzpolitische Glaubwürdigkeit ist gleich Null. Die politische Glaubwürdigkeit ist gleich null. In kürzester Zeit hat die neue Regierung Mariano Rajoys die Vorteile ihrer absoluten Mehrheit verspielt und das Vertrauen der europäischen Institutionen vollkommen verloren.

Der Telegraph-Wirtschaftsredakteur nimmt kein Blatt vor den Mund und stellt die „Unfähigkeit der politischen Elite Europas“ und ihre „Währungs-, Steuer- und Ordnungs-Politik der verbrannten Erde“ an den Pranger. Ganz besonders wütend ist er auf die Europäische Zentralbank. Für ihn...

... ist es an der Zeit, dass Spanien und die anderen leidtragenden Länder die Initiative ergreifen. Sie können Deutschland, die Niederlande, Finnland und Österreich nicht zwingen, die Eurobonds, die Vergemeinschaftung von Schulden und die Fiskalunion zu schlucken. Und genau das sollten sie auch nicht versuchen, zumal dies für ihre eigenen Demokratien verheerende Folgen hätte.

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Was sie unternehmen können? Sie könnten ihre Stimmenmehrheit im EZB-Rat dazu nutzen, eine geldpolitische Wende herbeizuführen. Deutschland hat 2 von 23 Stimmen, allerhöchstens 7 oder 8. Der griechisch-südliche Block könnte eine Kraftprobe heraufbeschwören. Verlässt Deutschland die Währungsunion aus Protest, könnte sich dies als hervorragende Lösung erweisen.

Die Südländer würden den Euro behalten – bis der Sturm vorbeigezogen ist – und könnten so ihre Euro-Schulden-Verträge aufrechterhalten. Zudem wäre das Risiko, dass Staaten Pleite gehen, viel geringer. Schließlich würden diese Länder von einer wachstumsorientierten Schockwelle profitieren, die sie geldpolitischen Impulsen und einem gegenüber dem chinesischen Yuan, der D-Mark und dem Gulden wesentlich schwächeren Süd-Euro zu verdanken hätten.

Deutschland hätte von dieser Lösung rein gar nichts, schreibt der Chefökonom der Wirtschaftszeitung Handelsblatt. In einem Artikel mit dem Titel „Wie eine zweite Wiedervereinigung“ empfiehlt er Kritikern der Berliner Rettungspolitik die Lektüre des Sondergutachtens des Sachverständigenrats und die aktuellen Berechnungen der Ratingagentur Moody's:

Beide zeigen unmissverständlich, dass ein Ende des Euros für Deutschland viel teurer würde, als es viele glauben.

Der Sachverständigenrat schätzt die Auslandsforderungen Deutschlands gegenüber den Euro-Partnern auf 2,8 Billionen Euro. Geht die Einheitswährung unter, würde es laut der Experten mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu einem „Unsicherheitsschock“ kommen. Dadurch würde die Wirtschaftsleistung um fünf Prozent einbrechen und langfristig auch die Exportgeschäfte, da die neue D-Mark um 30 oder mehr Prozent aufwerten würde.

Moody’s Schätzungen liegen darunter: 1,9 Billionen Euro – also etwa der Summe, die die Wiedervereinigung kostete. Berlin hat also gar keine andere Wahl als die Währungsunion zu vervollständigen, folgert das Handelsblatt. Die Regierung müsse endlich ehrlich erklären,...

... welche Wege [es] aus der Euro-Krise gibt, was sie kosten könnten und was im Vergleich dazu der Ausstieg aus dem Euro kosten würde. Sie müsste den Bürgern erklären, dass Solidarität mit unseren Euro-Partnern notwendig ist, dass wir aber für diese Solidarität die Chance bekommen, ein global wettbewerbsfähiges Europa durchzusetzen, das in weiten Teilen den deutschen Vorstellungen entspricht.

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