TINA am Schalthebel

Veröffentlicht am 4 November 2011 um 15:08

Seitdem die Schuldenkrise die Aufrechtherhaltung der Einheitswährung in Frage stellt, hat das Duo “Merkozy” das Steuer des Euroschiffes an sich gerissen. Der Grund hierfür ist nicht irgendeine Einverständniserklärung der Mitgliedsstaaten, sondern eine einfache Feststellung: Es gibt keine Alternative — There Is No Alternative, TINA, wie es schon eine gewisse eiserne Lady ausdrückte.

Aber vielleicht gibt es doch eine Alternative. Denn es gibt die Europäische Kommission, die, wie ihr Präsident José Manuel Barroso kürzlich ins Gedächtnis rief, dazu da ist, die Verträge und die “Wirtschaftsregierung” der EU zu schützen. Doch wenn es um die Eurozone geht, gewinnt die Eurogruppe (die Wirtschaftsminister, d.h. die Regierungen) schnell die Oberhand. Demnach bestimmen auch hier Paris und Berlin. Die Ernennung des Präsidenten des Europäischen Rates Herman Van Rompuy als “Herrn Euro” wurde von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy befürwortet. Durch diese Maßnahme wird die Rolle der Mitgliedsstaaten – und allen voran Deutschland und Frankreich – in der Wirtschaftsregierung von “Euroland” gestärkt.

Der Haken an der Sache ist, dass diese Konstellation ohne jeglichen Vertrag abgesteckt wurde. Darüber hinaus sieht es so aus, als ob die Entscheidungen von “Merkozy” zunehmend ohne jegliche Diskussion innerhalb der Eurozone gefällt werden. Denn Tatsache ist, dass kein anderes Land bei Diskussionen ins Gewicht fällt oder einen Gegenpol darstellen könnte. So entledigt sich die Dampfwalze bei Gesprächen mit ihren Partnern zusehends jeglicher Höflichkeiten. Dies zeigte der Ton, mit dem die Möglichkeit einer Volksabstimmung in Griechenland von “Merkozy” abgeschlagen wurde. Von den “Großen” befindet sich Italien, drittgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone, aufgrund der Prekarität seiner Regierung und seiner Staatsfinanzen auf der Anklagebank.

Spanien steckt mitten im Wahlkampf und hat sich immer noch nicht aus seiner schwierigen Lage befreien können. Beide Länder stecken bis zum Hals in der Schuldenkrise und sind genau wie Portugal und Irland weit von einem “AAA” der Ratingagenturen entfernt. Allem Anschein nach verleiht die Bestnote den Ländern, die sich mit der Auszeichnung noch rühmen können, übernatürliche Kräfte. Nebenbei gesagt erklärt dies auch, warum der französische Präsident so sehr darauf erpicht ist, dass sein Land weiterhin in dem derzeit meistbegehrten Zirkel bleibt. In der Eurozone fallen die anderen Länder dieses Clubs (Österreich, Finnland, Luxemburg und die Niederlande) nicht ins Gewicht oder passen sich dem deutsch-französischen Duo an.

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Doch auch wenn das Duo eventuell die bedrohlichsten Klippen umschiffen kann, scheint es keine klare Vorstellung zu haben, in welche Richtung es das Euroschiff steuern will. Dazu hat es im Übrigen auch kein Mandat erhalten. Die fehlende Klarheit und Rechtmäßigkeit macht der Abwicklung der Krise zu schaffen und erweckt den Eindruck, dass ungeplant vorwärts gesteuert wird. Doch angesichts des Sturms wollen wir das Ruder nur aus der Hand geben wenn derjenige, der es übernimmt, in der Lage ist, das Schiff und seine Mannschaft sicher in den Hafen zu segeln.

Aus dem Französischen von Signe Desbonnets

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