Kinshasa, 29. Juni. Schüler der belgischen Schule warten auf die Ankunft des belgischen Königs Albert II.

Was gibt’s zu feiern im Kongo?

Die Demokratische Republik Kongo feiert fünfzig Jahre Unabhängigkeit. Aus diesem Anlass hinterfragt die europäische Presse die Zukunftsperspektiven des Landes, Symbol des Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent.

Veröffentlicht am 30 Juni 2010 um 13:52
Kinshasa, 29. Juni. Schüler der belgischen Schule warten auf die Ankunft des belgischen Königs Albert II.

Die Demokratische Republik Kongo feiert heute fünfzig Jahre Unabhängigkeit und empfängt hierzu die ehemalige Kolonialmacht Belgien. "König Albert II. ist in ein ausgeblutetes, aber sich auf dem Weg der Besserung befindendes Land gekommen. Ein aufrechtes Land, das versucht, die verschlissenen Kriegsuniformen abzulegen und sich allem zum Trotz mit festlichem Firlefanz zu schmücken", schreibt in Le Soir der kongolesische Dramatiker Lye Yoka. Er weist auch darauf hin, dass die Stimmung vom Mord an dem Menschenrechtler Floribert Chebaya überschattet wird.

Der Rahmen der Feierlichkeiten geht über die belgisch-kongolesische Beziehung hinaus, denn das Land "versinnbildlicht ganz besonders Afrikas historische und aktuelle Probleme", meint The Independent. Die britische Tageszeitung verweist auf die Unterstützung des Westens für den Diktator Mobutu während des Kalten Kriegs, den Bürgerkrieg, der zwischen 1998 und 2003 mehr als drei Millionen Opfer forderte und an den Fluch des Rohstoffreichtums, der zahlreiche Plünderer aus dem Ausland anzieht.

Nach fünfzig Jahren Unabhängigkeit ist es Zeit für Belgien, Europa und den Westen, Bilanz zu ziehen. "Die Analyse liegt auf der Hand", meint De Standaard. "Der Kolonialismus führte zur Zerstörung indigener Strukturen. Belgien hatte die Kongolesen nicht auf eine schnelle Unabhängigkeit vorbereitet und dann alles daran gesetzt, seine Ex-Kolonie wirtschaftlich in der Hand zu behalten." Doch heute, fügt die flämische Tageszeitung hinzu, "ist die Kolonialzeit vorbei, genauso wie der Kalte Krieg. Jeder Tag ist ein Schritt in die Zukunft. Hätte Nelson Mandela nur stets auf das Apartheidregime zurückgeschaut, wäre sein Land zur Ruine verkommen und hätte nie die Fußball-WM organisieren können. Zu denken, dass fünfzig Jahre später der Kolonialismus eine Renaissance des Kongos verhindere, ist selbst eine kolonialistische Sichtweise. Diese Renaissance ist möglich, doch hängt sie in erster Linie von der politischen Elite des Kongo und vom kongolesischen Volk selbst ab."

Für den Schriftsteller Lye Yoka gibt es "zwei wesentliche Herausforderungen: Die DR Kongo muss eine gemäßigte, respektierte, das heißt auch respektable, Regionalmacht werden. Zweitens, die Ex-Kolonialmacht Belgien muss zu einem selbstbewussten Partner werden, der — trotz seines Irredentismus — mit sich selbst in Reinen ist, und auch mit seinen klaren Ambitionen für ein sozialeres und gastfreundlicheres Europa."

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Die Europäer sind nicht mehr die einzigen vor Ort: "Die Belgier merken, dass ihre Ex-Kolonie zur regionalen Macht aufsteigt", stellt Le Soir fest. "Die meisten afrikanischen Länder sind dort neben Belgien präsent, und auch Persönlichkeiten wie Brasiliens Lula, für den Präsident Kabila höchste Bewunderung hegt." Alles in allem, urteilt The Independent, "liegt die größte Hoffnung des Kongo in der regionalen Zusammenarbeit. Der Kongo ist ein afrikanisches Desaster. Nur Afrika selbst kann dem seit so langer Zeit leidenden Volk die Chance auf eine bessere Zukunft bieten." (js)

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema