"Absolutes Misstrauen" lautet die Schlagzeile der ABC. Am Morgen nach dem Absturz der Börse in Madrid um sechs Prozent weist die konservative Tageszeitung auf Spaniens "Glaubwürdigkeitskrise" hin, die Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero in eine verzwickte Lage bringt. In den jüngsten Umfragen, die der konservativen Partido Popular (Volkspartei – PP) vier Punkte Vorsprung vor dem Präsident und seinen Sozialisten geben, wird dies nur zu deutlich. Die ABC kritisiert den Sozialistenchef und seine "Aneinanderreihung von Fehlern in Davos und in Brüssel". Der "frivole und distanzierte" Zapatero wird auch beschuldigt, es sich "in einer irreellen Welt gemütlich [gemacht]" zu haben. Die Zeitung verlangt "dringende Entscheidungen" und bedauert, dass seine "Passivität und Ineffizienz Spanien zu jahrelanger Finsternis verurteilt haben".
El Mundo hingegen bringt etwas Linderung, indem er beruhigend über Zapateros Washington-Besuch am 4. Februar berichtet. Obama lud ihn dort zu einem Treffen mit dem interessanten Spitznamen "Nationales Gebetsfrühstück" ein. Zapatero gelang es, "eine auf allgemeinen ethischen Werten basierende Rede zu halten und einen Draht zum Publikum zu finden". Die Tageszeitung ist anscheinend erleichtert, dass "Zapatero es aufgegeben hat, Aznar [seinem konservativen Vorgänger] in seinen Bemühungen, Nähe zum US-Präsidenten zu zeigen, nachzueifern".
Irritiert von nordeuropäischen Vorurteilen

In der Tat richtet sich die Stimmung in der spanischen Öffentlichkeit nach innen. In einer von der Madrider Tageszeitung veröffentlichten Umfrage zeigen sich 77 Prozent der Befragten skeptisch bezüglich der Vorteile des spanischen EU-Vorsitzes. Der positive Aspekt – wenn man so sagen kann – ist hierbei die Unklarheit über die Machtverhältnisse innerhalb der EU: 32 Prozent der Befragten glauben, dass Zapatero in diesem Halbjahr die EU leitet, und 21 Prozent denken, Van Rompuy halte die Fäden in der Hand. Ebenfalls an der EU-Front war man weithin betroffen nach der Bemerkung von Spaniens scheidendem Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia, der "Spanien mit dem anderen PIGS-Land Griechenland verglich". Der Analyst Fernando Vallespín hat es satt, dass Spanien mit dem derzeit ungeliebtesten Mitglied der EU in einen Sack gesteckt wird. Und auch dass es im Akronym PIGS auftritt: Portugal, Irland, Griechenland und Spanien – eine alles andere als schmeichelhafte Bezeichnung für die EU-Staaten mit der schwächsten Wirtschaft. Er betrachtet die Erklärung des spanischen EU-Kommissars als einen "Freudschen Versprecher", der typisch nordeuropäische Vorurteile aus Sicht einer protestantischen Arbeitsethik veranschaulicht. Vorurteile, die, so klagt er, von Presseorganen wie der "Financial Times und Konsorten" propagiert werden.
Spanische Maus gegen fette Weltkatze
Ähnlich herausfordend zieht der Público die Aufmerksamkeit auf "eine immer stärker werdende Revolte" und bezieht sich damit auf den Aufruf der mächtigsten spanischen Gewerkschaft zu einer Protestwelle. Es hagelt nämlich Kritik und Unmut aus allen Ecken, sogar in den Rängen der PSOE, infolge Zapateros abrupten Beschlusses, das Rentenalter von 65 auf 67 anzuheben. Zu einem peinlichen Rückzieher gezwungen, sowie zum Widerruf seines angekündigten Ziels, die Renten auf einer Basis von 25 statt 15 Jahren zu berechnen, wird ihm nun von Seiten der Rechten Wankelmütigkeit vorgeworfen. Autor Justino Sinova kritisiert "das Improvisieren, das Auf und Ab, das Chaos von Zapatero und seiner Regierung" scharf. Angesichts der Beschimpfungen aus allen Richtungen bleibt es dem Editorialisten Ignacio Escolar überlassen, eine breitere Perspektive einzunehmen und Spanien als "das neue Epizentrum der weltweiten Krise" zu beschreiben, als das letzte Opfer in einem globalen Spiel, in dem "Spekulatorenkatzen" mit den Mäusen spielen.
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