Landschaft in der Gegend von Česky Krumlov. Bild: J & M Funderburk

Acker zu verschleudern

Bestellbarer Boden ist in der Tschechischen Republik billiger zu haben als sonstwo in Europa. Ab 2011 dürfen die Parzellen an Ausländer verkauft werden. Muss man sich nun in und um Pilsen fürchten von reichen europäischen Landwirten überollt zu werden, fragt das Prager Magazin Respekt.

Veröffentlicht am 6 Juli 2009 um 15:48
Landschaft in der Gegend von Česky Krumlov. Bild: J & M Funderburk

Vor zwanzig Jahren brauchte Herr Everdingen nicht lange, um sich zu entscheiden. In seinem Heimatland, den Niederlanden, betrieb er Viehzucht auf seinem Bio-Bauernhof und wollte sich vergrößern. Aber in einem Land mit derart hoher Bevölkerungsdichte gab es dabei einige Probleme. Er sah im Fall des Eisernen Vorhangs eine Chance, sein Vorhaben zu realisieren und beschloss, sich in den ehemals kommunistischen Ländern umzusehen. Schließlich ließ er sich in der Tschechischen Republik in Žebráky na Tachovsku im Westen des Landes nieder, wo er einen Bauernhof kaufte, der niemanden in der Umgebung interessierte.

"Wir haben hier ganz einfach hervorragende Voraussetzungen für unseren Betrieb gefunden", erklärt Herr Everdingen, der nach 20 Jahren Arbeit in der Tschechischen Republik relativ gut die Landessprache beherrscht. Sein Hof verschönert die Umgebung, und die tschechischen Nachbarn des ausländischen Bauern, der auf tschechischem Boden lebt, betrachten ihn als einen der Ihren.

Everdingen besitzt einen Teil seiner Ländereien und pachtet den Rest. "Man hat aber mehr Sicherheit, wenn man selbst Besitzer ist", bestätigt er. "Mit dem Kauf eines Grundstücks ist man sich gewiss seine Investition zu bewahren." Wenn 2011 das vorläufige Verbot für nicht tschechische Bürger der EU fällt, tschechischen Boden zu kaufen, kann er endlich wirklich diese 'Besitzersicherheit' erhalten. Die Bevölkerung wartet interessiert ab, welche Änderung diese Revolution für ihr Leben bedeuten wird.

Die Möglichkeit, ausländische Grundstücke zu kaufen, ist in Europa keine Besonderheit der Tschechischen Republik. In den letzten Jahren wurden zum Beispiel vermögende Briten von einer Leidenschaft für die verlassenen Höfe der Normandie im Norden Frankreichs gepackt. Sie haben zahlreiche dieser Bauernhöfe gekauft und dort ihren Betrieb gegründet. Heute ist es aber schwierig vorherzusehen, wie viel Interesse die tschechischen Böden hervorrufen werden. Außerdem gibt es kein offizielles Register, das die Ausländer erfasst, die momentan Boden im Land bestellen – sei es als Pächter oder als Besitzer über einen Strohmann.

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Darüber hinaus ist der Kauf von tschechischen Grundstücken häufig überaus kompliziert, weil man manchmal nur schwer den rechtmäßigen Besitzer ausmachen kann. Dies ist ein Erbe des kommunistischen Systems der landwirtschaftlichen Kooperativen, die der Staat bis heute nicht auflösen konnte. Die massenhafte Beschlagnahmung des Privateigentums der Landwirte in den 50er Jahren, das anschließend in die landwirtschaftlichen Kooperativen einfloss, macht es heute extrem schwierig herauszufinden, wem damals diese oder jene Landparzelle gehörte.

Die gegenwärtig durchgeführte Flurbereinigung zur Neuverteilung von Ländereien soll den Zuschnitt der Felder rationalisieren. Dies dürfte den Kauf von tschechischen Grundstücken erleichtern. Es besteht schon ein ernsthaftes Interesse der Ausländer an diesen Grundstücken, denn sie sind weitaus günstiger als überall sonst in Europa. Während ein Hektar in Holland zum Beispiel durchschnittlich 36.000 Euro wert ist, kostet er in der Tschechischen Republik nur 2.520 Euro. Diese Tatsache nährt die Furcht, dass reiche Geschäftsleute nach Aufhebung des Kaufverbotes für Ausländer 2011 aus allen Winkeln Europas kommen und massenhaft tschechischen Boden kaufen. Experten zufolge ist diese Angst aber unbegründet.

"Es gibt kein wirkliches Risiko, der Profit wird sicherlich größer sein. Aber er wird nichtsdestoweniger nicht übermäßig sein", schätzt der Agraranalyst Petr Havel die Situation ein. Darüber hinaus "werden die Ausländer ihr Können mitbringen und so eventuell die tschechische Landwirtschaft ankurbeln", bemerkt er. Laut Jaroslav Šebek vom privaten Landwirtschaftsverein der Tschechischen Republik zeigen sich die Niederländer und Italiener am interessiertesten. Verhandlungen mit einigen der in der Tschechischen Republik lebenden ausländischen Landwirte haben bereits begonnen mit dem Ziel, dass sie Mitglieder des Vereins werden. Nach Šebeks Einschätzung "ist das einzig wirkliche Hindernis heute die Sprachbarriere. Aber mit der Zeit sollte das kein Problem mehr sein."

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