Ideen Archipel UDSSR | Georgien
Flughafen Moskau, Mai 1981. Der Kapitän von Dinamo Tiflis, Aleksandr Chivadze, wird nach dem Gewinn des UEFA-Pokals von den georgischen Fans begrüßt. | Foto: A. Ikovlev

Von den Leiden georgischer Fußballfans zu Sowjetzeiten

Aka Mortschiladse, geboren 1966, ist einer der meistgelesenen Gegenwartsautoren Georgiens. Außerdem ist er Fußballfan, was ihm das Leben zu Sowjetzeiten schwer machte. Denn nahm die UdSSR nicht an einem internationalen Turnier teil, wurden die Spiele nicht übertragen. Auch eine Form von Zensur, gegen die sich die Georgier jedoch einfallsreich zur Wehr setzten.

Veröffentlicht am 27 Januar 2022 um 09:00
Flughafen Moskau, Mai 1981. Der Kapitän von Dinamo Tiflis, Aleksandr Chivadze, wird nach dem Gewinn des UEFA-Pokals von den georgischen Fans begrüßt. | Foto: A. Ikovlev

Ich hoffe, ihr mögt Fußball, oder habt zumindest nichts gegen dieses Spiel. Und vielleicht streift euer Blick auch mal den Bildschirm, wenn eine Übertragung läuft.

Heutzutage haben es die Fußballfans gut: Du brauchst nur den richtigen Kanal und schon kannst du in einem fort im Fernsehen, im Computer oder im Smartphone Fußball schauen. Sogar benachrichtigt wirst du, es stehe in der White Hart Lane jetzt eins zu null, eine gelbe Karte habe es gegeben ...

Am Ende meckern sie dann alle, so viel Fußball käme einem schon zum Hals raus, aber all jene, die sich einst schmerzlich danach gesehnt haben, all jene werden dem Fußball nie vorwerfen, solch eine innige und unzertrennliche Verbindung mit dem Fernsehen eingegangen zu sein.


Und was ist Kommunismus? Kommunismus bedeutet kostenloses Essen. Nichts weiter


So wie heute war es nicht immer: hattest du dich in einem Land in den Fußball verliebt, dessen Fernsehen bis kurz vor dem Zerfall dieses Landes, der mächtigen Sowjetunion, niemals ein Spiel, nicht mal ein Finalspiel, ausgestrahlt hat, es sei denn, es trat eine sowjetische Mannschaft an, weder vom Europapokal der Landesmeister, noch vom Europapokal der Pokalsieger, noch vom UEFA-Pokal, dann wird dich der Kindheitshunger nach diesem Spektakel und allen dazugehörigen Informationen womöglich bis ins Rentenalter begleiten; die verpassten großen Spiele reuen dich in der Seele, du suchst nun auf Youtube nach ihnen und denkst dir: ‚Hätte ich das doch damals bloß gesehen…‘

Was war das für ein Ort, die Sowjetunion der siebziger und achtziger Jahre? Nach der offiziellen Fassung ein Land des reifen Sozialismus. Ein so weit gereifter Sozialismus, dass er nahtlos übergehen würde in den Kommunismus und wir seine ersehnten Früchte würden genießen können. Und was ist Kommunismus? Kommunismus bedeutet kostenloses Essen. Nichts weiter. Zur damaligen Zeit war in der Sowjetunion das Essen das Hauptproblem. Obgleich es da von Region zu Region Unterschiede gab - wenn du aus einem südlichen Land kommst, verlässt du dich auf die Natur: Egal was geschieht, Gurke, Tomate und ein bisschen Paprika lassen sich immer auftreiben.

Von dem Staatsoberhaupt dieser Zeit, Leonid Breschnew, hieß es, er sei ein netter Mensch, offenbar verglichen mit seinen Vorgängern, mit Chruschtschow, der sich durch kolchosbäuerliche Hysterie auszeichnete und vor allem mit Stalin - relativ betrachtet also.

In den fünf besten Jahren des Dynamo Tiflis war die Sowjetunion schon um sich schießend in Afghanistan einmarschiert mit dem Ziel, das Land zu sowjetisieren. Das Ergebnis ist offenkundig.

Zur selben Zeit wurde in Polen die Stimme der Solidarität laut und die Sowjetunion gab immer noch vor, die stärkste Staatsmacht zu sein. Und wie schon zuvor teilten sich Andersdenkende die Zellen in den psychiatrischen Kliniken und speziellen Haftlagern. Das war ein alter Hut. Alle sowjetischen Restriktionen blieben weiterhin in Kraft, auch jetzt sollten diejenigen, denen es gestattet wurde, ein westliches Land zu besuchen, in Dreiergruppen durch Paris oder Gelsenkirchen spazieren, weil von Dreien mindestens einer in einem gewissen Zimmer des Staatssiche…

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