Frankreichs Präsident Hollande, Bundeskanzlerin Merkel, Italiens Premier Monti.

Bankenunion wie sie Deutschland gefällt

Nach der anfänglichen Euphorie über die Einigung der EU-Finanzminister zur Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht, zeigt sich die europäische Presse über die Details des in Brüssel entwickelten Mechanimus weitaus weniger begeistert.

Veröffentlicht am 14 Dezember 2012 um 15:41
Frankreichs Präsident Hollande, Bundeskanzlerin Merkel, Italiens Premier Monti.

Am Tag danach überwog ein anderes Gefühl: Nämlich, mal wieder den Deutschen alles recht gemacht zu haben. Denn Deutschland hat sich durchgesetzt. Die kleinen Banken bleiben auch in Zukunft unter nationaler Kontrolle. Und dafür hagelt es einige Kritik.

„Die Vereinbarung sieht tiefgreifend aus, ist aber in Wirklichkeit unzureichend“, urteilt NRC Handelsblad. „Vier Jahre nach Beginn der Subprime-Krise ist das eine Enttäuschung“. Die niederländische Tageszeitung bedauert vor allem, dass:

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die überwiegende Mehrheit der 6000 europäischen Banken unter der Verantwortung nationaler Regulierungsbehörden bleibt. Alles hängt also vom Vertrauen der Banker untereinander ab, was sich in der Vergangenheit als labiler herausgestellt hat, als man dachte. [...] Die Subprime-Krise hat gezeigt, wie sehr die Banken miteinander verknüpft sind. Das wir einem erst klar, wenn etwas schiefgeht. [...] Man führe sich nur vor Augen, was in Island passiert ist oder im Fall der Bank Fortis, wo nationale Interessen Vorrang vor dem allgemeinen Interesse hatten. Nur eine zentrale Bankenaufsicht kann dagegen ankämpfen. Des Weiteren fehlen noch die Entscheidungen über zwei weitere wichtige Schritte: die Abwicklung von Pleitebanken, sowie ein gemeinsames finanzielles Sicherheitsnetz, um endlich das Schicksal der Staaten vom Schicksal der Banken abzukoppeln.

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In Deutschland liefert die Frankfurter Allgemeine Zeitung gleich eine ganze Reihe von Argumenten, warum die neue Bankenaufsicht, zu einem Zeitpunkt, wo die Banken im Euroraum drei Mal mehr Schulden haben als die Staaten, eine schlechte Nachricht ist. Für die FAZ liegt das Hauptproblem in der Allmacht der Europäischen Zentralbank (EZB), eine demokratisch nicht kontrollierte Institution, wie das Blatt betont. Die Superbehörde aus Zentralbank plus Bankenaufsicht könnte ihrer ursprünglichen Aufgabe — Preisniveaustabilität— nicht mehr nachkommen.

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So sinnvoll eine gemeinsame Aufsicht über europäische Banken ist, so schlecht ist eine Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank. Bislang ist die EZB nur der Preisstabilität verpflichtet, künftig lebt sie in einem Zielkonflikt mit der Aufsicht. Wie wird sie entscheiden, wenn steigende Inflationsraten eigentlich eine Zinserhöhung nötig machen, diese aber Banken zum Einsturz bringen könnte? Schließlich sind Zweifel daran erlaubt, dass die EZB streng mit jenen Geldinstituten umspringen wird, die sie seit Jahren mit immer neuen Milliardenspritzen als Zombie-Banken am Leben hält.

Ein „mangelhaftes Modell“ wurde für die Bankenunion gewählt, notiert die Tageszeitung El País. Eine Entscheidung, die von Deutschland „aufgezwungen“ wurde und den Finanzmarkt in zwei Blöcke „spalte“: Die Großbanken unter Aufsicht der EZB und jene mit einer Bilanzsumme unter 30 Milliarden Euro, unter Aufsicht der nationalen Regulierungsbehörden. Die Tageszeitung aus Madrid kritisiert:

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Die Vereinbarung übernimmt Punkt für Punkt alle deutschen Forderungen. Angela Merkel hat bereits vor dem deutschen Bundestag erklärt, dass die Einigung ein Triumph für Deutschland sei. Nun ist der Moment gekommen zu erklären, warum ein deutscher Triumph zum Finanz-Irrtum für Europa werden kann. Ziel des triumphierenden Vorschlags Wolfgang Schäubles war es, die desolate Lage der deutschen Sparkassen und Landesbanken zu vertuschen. Der Vorwand, um dieses Ziel zu verschleiern, war nun, dass man nur Banken, die ein systemisches Risiko für Europa darstellen, unter EZB-Aufsicht stellen wolle. Doch in Wirklichkeit hat der Fall Spanien gezeigt, dass auch kleine Geldhäuser das nationale Bankensystem vergiften können. Ein Umstand, welcher das deutsche Argument widerlegt, dass die zentrale Aufsicht für kleine Banken überflüssig sei, denn auch Deutschland müsste für die eventuelle Sanierung dieser Banken in die eigene Tasche greifen. Das Risiko ist nicht die Pleite einer Bank, sondern vielmehr die toxische Kontamination auf Vermögenswerte.

Ein Argument, dass die Kollegen von ABC teilen: „Was Deutschland vertuscht“, schreibt das Blatt, sei der schlechte Zustand der deutschen Landesbanken.

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Daraus erklärt sich ein Großteil des politischen Handelns von Angela Merkel, der es wie keinem anderen EU-Staats- und Regierungschef gelungen ist, ihr hauseigenes Finanzsystem zu verteidigen und dessen Missetaten zu verstecken. Brüssel hat noch nie die Sparkassen gemocht, doch die neue Eiserne Lady hat es geschafft, aus Deutschland die letzte Bastion dieser Geldinstitute zu machen, obwohl diese ihren Teil zu den [Finanz-] Problemen beitragen. Die Landesbanken sind in extrem risikoreiche internationale Geschäfte verwickelt, die eine hohe Zeche hinterlassen haben. [Aber] die deutschen Probleme bleiben in Deutschland, das deutlich zu verstehen gegeben hat, dass man es nicht mag, wenn andere ihre Nase in die Finanzen des Landes stecken. Das darf bis heute, Bankenunion hin oder her, nur die Bundesbank.

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