Laura, eine 37-jährige Unternehmerin im Bildungssektor steht aufgrund der COVID-19-Pandemie mit ihrem Unternehmen am Rande des Bankrotts. Sie besitzt ein japanisches Abakus- und Kopfrechen-Bildungszentrum für Kinder in Ploiesti, 60 Kilometer von Bukarest entfernt.
„Die Pandemie-Zeit war außerordentlich stressig und voller unbekannter Situationen. Wir mussten sofort Lösungen finden, um die Kurse online durchzuführen, den Stundenplan neu zu organisieren, Social-Media-Konten und Internet-Plattformen zu nutzen, sowie schnell und effizient mit den Eltern zu kommunizieren“, erklärt sie mir.
Mit fast einer halben Million Bürger, die mit dem neuen Coronavirus infiziert sind, und einer Todesrate von bis zu 11.000 Todesopfern seit März steht Rumänien aufgrund der Pandemie vor einer großen Herausforderung.
Mitte März ordnete die rumänische Regierung eine totale Ausgangssperre an, und Laura konnte ihr Zentrum erst im August wiedereröffnen.
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Mehr als die Hälfte der eingeschriebenen Kinder schied sofort aus, da ihre Eltern nicht bereit waren, mit Online-Kursen weiterzumachen.
Für ihr Unternehmen bestand die staatliche Finanzhilfe aus einigen Subventionen, um ihre Mitarbeiter halten zu können. Allerdings sind die Miete, die Versorgung und die technische Unterstützung für die Digitalisierung der Kurse beträchtliche Herausforderungen für Laura. Für ihre größten Verluste kommt der Staat einfach nicht auf.
„Ich habe mir jeden Tag Sorgen gemacht, ob es uns gelingen wird, den Monat wenn auch mit null Gewinn, aber zumindest ohne Verluste, abzuschließen“, fügt sie hinzu.
Sie musste improvisieren und Ausgaben kürzen. Allerdings war das schwierig, weil sie bereits unterzeichnete Verträge nicht sofort reduzieren konnte.
„Leider liegt diese Zeit noch nicht hinter uns. Ich schaue täglich Nachrichten, um zu sehen, ob wir es bis zum Monatsende schaffen oder nicht. Der Stress ist enorm. Die Angst, alles zu verlieren, ist erdrückend“, berichtet die Unternehmerin und Lehrerin.
Laura ist enttäuscht von der Mitte-Rechts-Regierung, die sich ihrer Meinung nach eher wie eine linke Regierung verhielt und den Unternehmern, welche die Wirtschaft am Laufen halten, so gut wie keine Hilfe zuteil kommen lässt.
Gegenwärtig sind die Schulen in Rumänien noch geschlossen und der Unterricht findet online statt. Die Abendschulen und Bildungszentren sind allerdings offen.
Innerhalb der EU-Richtlinien
Die Art und Weise, wie die Bukarester Behörden mit der Pandemie umgingen, entsprach im Großen und Ganzen den Leitlinien der EU. Die Überschneidung der medizinischen Krise mit den Wahlen im Jahr 2020 machte die Lage für das gegenwärtige liberale Kabinett von Ludovic Orban jedoch noch schwieriger.
Im Februar 2020, bevor die Coronavirus-Pandemie Europa heimsuchte, sprachen die Umfragen davon, dass 47 Prozent für die Nationalliberale Partei (PNL) stimmen würden. Im April 2020 sank diese Zahl auf 33 Prozent.
Auf der anderen Seite stiegen die Wahlabsichten für den Hauptrivalen der PNL, die Sozialdemokratische Partei (PSD), im gleichen Zeitraum um vier Prozent: Von 20,6 auf 24,8 Prozent.
„Je mehr wir uns dem Ende des Jahres 2020 nähern, desto sicherer können wir bereits jetzt von einem Zustand allgemeiner Irritation in der Bevölkerung sprechen. SIe wartet auf Lösungen, um ihr normales Leben und ihre alltägliche Routine wieder aufzunehmen“
mihai isac
Die Rumänen sehen in den Entscheidungen des Orban-Kabinetts größtenteils eine Art Wahlmuster, und nicht so sehr gesundheitspolitische Entscheidungen, was Angst und Unruhe in der Bevölkerung schürt.
Im Juni organisierte Rumänien die Kommunalwahlen, die von der regierenden rechtszentristischen Nationalliberalen Partei, PNL, mit 29,78 Prozent gewonnen wurden, gefolgt von der linkszentristischen Sozialdemokratischen Partei, PSD, mit 23,16 Prozent und der Partei Save Romanian Union, USR, mit 8,89 Prozent.
Nur 46,02 Prozent der fast 18,3 Millionen wahlberechtigten Bürger Rumäniens begaben sich zu den Wahllokalen.
Das Ergebnis der noch ausstehenden Parlamentswahl am 6. Dezember ist nicht vorhersehbar. Die Liberale Partei wird mit den Folgen unpopulärer restriktiver Maßnahmen, aber auch mit der Wut der Unternehmer zu kämpfen haben, die ihre Firmen schließen mussten.
„Je mehr wir uns dem Ende des Jahres 2020 nähern, desto sicherer können wir bereits jetzt von einem Zustand allgemeiner Irritation in der Bevölkerung sprechen. SIe wartet auf Lösungen, um ihr normales Leben und ihre alltägliche Routine wieder aufzunehmen“, erklärt der Politikexperte Mihai Isac gegenüber Voxeurop.
Seiner Meinung zufolge ist der wirtschaftliche und psychologische Druck hoch, was sich auf die Ergebnisse der Parlamentswahl auswirken könnte.
Umfragen von Meinungsforschungsinstituten, die für große politische Parteien arbeiten, besagen, dass die PNL zwischen 25 und 28 Prozent, die PSD zwischen 21 und 24 Prozent, und das Bündnis USR-PLUS zwischen 20 und 23 Prozent erreichen wird, so die Deutsche Welle.
Mit anderen Worten: Die Pandemie hat das Wahlergebnis der Regierungspartei fast halbiert.
„Das Vertrauen in die Behörden wird auch durch den Verdacht auf Korruption und schlechte Kommunikation untergraben“, betont Isac.
Zudem wird die PNL mit den Konsequenzen eines Brandes fertig werden müssen: Das Feuer in der COVID-19-Station im Notfallkrankenhaus Piatra Neamt im östlichen Teil Rumäniens. Zwölf Patienten sind bereits verstorben.
Der jüngste Vorfall erweckt die Empörung der Rumänen über einen ähnlichen Vorfall in einem Musikclub in Bukarest zu neuem Leben. Dieser brannte am 30. Oktober 2015 ab und forderte das Leben von 65 jungen Menschen.
Dieser Vorfall erinnert an das Motto „Korruption tötet!“, das nach der Revolution 1989 für die gesamte politische Klasse in Rumänien verwendet wurde.
Dieses neue Ereignis auf der Intensivstation im Krankenhaus in Piatra Neamt wird vor der Parlamentsabstimmung wieder eine emotionale Triebkraft sein, zusammen mit der schlechten Kommunikation bezüglich der Schließung der Schulen und Märkte.
Rumänien im Spiegel Moldawiens
Auf der anderen Seite ist die Pandemie-Bilanz der Behörden am anderen Ufer des Prut-Flusses, der Rumänien von der Republik Moldau trennt, zwischen März und heute noch schlechter.
Der derzeit noch amtierende pro-russische Präsident Igor Dodon verlor die Wahlen vor allem aufgrund der Korruption, aber auch wegen des mangelnden Einfühlungsvermögens und des lausigen medizinischen Managements der Epidemie, die den kleinen osteuropäischen Staat hart traf.
Die pro-europäische Kandidatin der moldauischen Opposition, Maia Sandu, gewann die Präsidentschaftswahl in Moldawien am 15. November mit großem Vorsprung.
In der Stichwahl erreichte sie 57,63 Prozent der abgegebenen Stimmen. Dodon erhielt 42,37 Prozent der Stimmen.
„In Moldawien wurde die Pandemie auf politische und populistische Weise gehandhabt. Die medizinische Krise wurde nicht von Ärzten bewältigt, sondern von Politikern, und zwar mit einer eher kampagnenorientierten Logik. Heute sind die Ergebnisse hinsichtlich der Häufigkeit von COVID-19-Tests, die fast 50 Prozent erreicht hat, offensichtlich“, erklärt mir Ion Tabarta, der Politologe von IDIS "Viitorul", einer in Chișinău ansässigen Nichtregierungsorganisation.
Dodon wollte zeigen, dass er die Krise im Griff hat, und dass die Coronavirus-Pandemie saisonbedingt sein wird. „Er glaubte, damit könne er das Krisenmanagement zu einem politischen Sieg machen. Als er im Herbst merkte, dass die Strategie scheiterte, versuchte Dodon, sich von der Regierung und dem medizinischen System loszusagen, doch dafür war es zu spät“, fügt Tabarta hinzu.
Die Gesamtzahl der mit dem neuen Coronavirus infizierten Menschen erreichte in Moldawien 102.894 Fälle, und die Zahl der Todesopfer stieg auf über 2.200.
Nach etwa sechs Monaten Pandemie erreichte Moldawien bezüglich der Häufigkeit von COVID-19-Fällen pro eine Million Einwohner Mitte September den fünften Platz unter den europäischen Ländern.
„Die Auswirkungen der Regierungspolitik auf die Pandemie sind viel schlimmer als in anderen Ländern. Die Behörden haben nicht das getan, was sie von Anfang an hätten tun sollen. Sie haben Ausreden gesucht. Beispielsweise, dass die Lage in anderen Ländern auch schlecht ist. Stattdessen hätten sie sich darauf konzentrieren sollen, was sie hier hätten tun können“, sagt mir die WHO-Expertin und ehemalige Gesundheitsministerin Ala Nemerenco.
Sie betont, dass die Zahl der COVID-19-Infektionen in Moldawien kontinuierlich ansteigt und auch das politische Leben beeinflusst.
„Ja, das hat das Ergebnis insbesondere für Dodon beeinflusst. Hätte die von Dodon eingesetzte derzeitige Regierung unter Ion Chicu die sanitäre Krise zumindest zufriedenstellend bewältigt, wäre es vielleicht anders gekommen. Die Menschen stellen Dodon für viele Fehler an den Pranger, und einer der wichtigsten ist das Pandemie-Krisenmanagement“, schlussfolgert sie.

In Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung – Paris
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