Installation "Language of birds" von Dorka Keehn und Brian Goggin, San Francisco (USA). Foto: V La / Flickr

Europa prägt den Googlegroschen

Die digitale Bibliothek des amerikanischen Internetgiganten Google sorgt die europäischen Verleger. Die Kommission möchte jetzt die Rechtslage zu den Urheberrechten modernisieren und harmonisieren, um den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden.

Veröffentlicht am 9 September 2009 um 16:11
Installation "Language of birds" von Dorka Keehn und Brian Goggin, San Francisco (USA). Foto: V La / Flickr

Die Europäische Kommission hat also am 7. September eine Anhörung der verschiedenen Beteiligten aus der europäischen Verlagswelt (Autoren, Verleger, Buchhändler, Bibliothekare, Regierungen,…) organisiert. Ziel war es, die Auswirkungen des umstrittenen Abkommens zwischen der kostenlosen digitalen Bibliothek Google-Bücher und amerikanischen Verlegern und Autoren für ganz Europa gründlich zu untersuchen. Sie hatten sich auf die Digitalisierung und Kommerzialisierung immenser Fonds geeinigt, die weltweit urheberrechtsfrei geworden waren (weil die Urheberrechte ausgelaufen oder verwaist waren, d. h. der Urheber ist nicht genau bestimmbar).

Und auch wenn dieses Abkommen in Europa heftigen Widerstand ausgelöst hat, zudem sich die Vorwürfe gesellten, die das Vorhaben mit der Piraterie geistigen Eigentums verglichen, so hat es doch auch wieder einmal deutlich gemacht, wie flink und wendig das US-amerikanische System im Vergleich zum langsamen, rückständigen und zersplittert handelnden Europa ist.

Am 7. September hat sich die Europäische Kommission allerdings dem US-amerikanischen System angepasst. Die gemeinsame Mitteilung der EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien und des EU-Kommissars für Binnenmarkt und Dienstleistungen hat in den Ohren des Führungspersonals des Informatik-Giganten sicher wie himmlische Musik geklungen. "Unser Ziel liegt darin, mit abgedroschenen Stereotypen aufzuräumen, die in der Vergangenheit eine Debatte verhinderten. Wir möchten uns darauf konzentrieren, das beste Konzept zu finden, das wir dank der heutigen Technologie künftig verfolgen können, und dem kulturellen Schaffen im digitalen Zeitalter neue Impulse geben", haben Viviane Reding und Charlie McCreevy beide erklärt. Sie sind außerdem überzeugt davon, dass Europa einen neuen Gesetzesrahmen benötigt, um die Entwicklung anderer Dienste voranzutreiben, die dem Abkommen, welches Google gerade in den Vereinigten Staaten von Amerika an Land gezogen hat, sehr ähnlich sein könnten.

Google verletzt das Berner Übereinkommen

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"Die Digitalisierung von Büchern ist eine Herkules-Aufgabe, bei der der öffentliche Sektor zwar die Federführung übernehmen muss", fügen die Kommissare noch schnell hinzu, bevor sie Google oder anderen Anbietern wirklich die Türen öffnen. Auch weisen sie darauf hin, dass "aber auch die Unterstützung des privaten Sektors" notwenig sei.

Die Grundlagen sind gleich: Urheberrechte sollen eingehalten und die Schöpfer der Werke gerecht bezahlt werden. Schließlich sind sie es, die von den besseren Zugangsmöglichkeiten ihrer digitalisierten Werke für die Bürger hauptsächlich profitieren sollen, betonen die Kommissare, bevor sie ihre Bombe platzen lassen: "Wir müssen wir auch einen kritischen Blick auf das Urheberrechtssystem werfen, das wir zurzeit in Europa haben. Ist der gegenwärtige Rahmen noch geeignet für das digitale Zeitalter?" Für die Direktorin der spanischen Nationalbibliothek Milagros del Corral muss vor allem die Frage gestellt werden, "bis zu welchem Punkt die Rechtsauffassung der Urheberrechte in Europa sich für die digitale Nutzung eignet".

Die Interessen der verschiedenen Parteien unterscheiden sich in genau diesem Punkt. Die Autoren sind prinzipiell für die technologischen Neuerungen, die ihren Werken ein neues Leben bieten können. "Als Autoren von Büchern, die man eben nicht mehr in den Schaufensterauslagen findet, haben auch wir festgestellt, dass unsere Werke auf einem völlig jungfräulichen Markt erscheinen", gibt der Schriftsteller und Verfechter von Google-Bücher James Gleick zu. Die Verleger und Buchhändler befürchten wiederum, dass das kalifornische Unternehmen ihnen Marktanteile abjagen wird. Antonio Ávila des spanischen Verleger- und Buchhändlerverbands wirft Google vor, die geltenden Urheberrechte und die Berner Übereinkommen zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst zu verletzen, indem es Bücher in den USA scannt, ohne die europäischen Anspruchsberechtigten vorher um ihr Einverständnis gebeten zu haben. Der für die Firmengruppe Hachette arbeitende französische Vertreter pflichtet diesem Argument bei und fügt hinzu, dass Frankreich bis zum bitteren Ende kämpfen wird, um zu verhindern, dass ein solcher Vertrag die französischen Autoren und Bücher in Mitleidenschaft zieht. Die Verleger schätzen wiederum, dass das Google-Projekt aus den Vereinigten Staaten in Europa nicht zur Anwendung kommen könne.

Der Chefingenieur von Google-Bücher, Dan Clancy, der sich während der Anhörung in Brüssel im Scheinwerferlicht sonnte, hat desweilen einen Schritt auf die Verleger zugemacht. In einem Brief versprach er, dass kein einziges in Europa auf klassischem Wege vermarktetes Buch von Google-Bücher digitalisiert werden würde, das in den USA nicht im Umlauf ist. Dieses Entgegenkommen reicht den Verlegern aber nicht aus.

MEINUNG

Lasst Google Europas Kultur retten

Googles Projekt weltweit Bibliotheken zu digitalisieren darf nicht in einen Kulturkampf gegen das Moutain View-Unternehmen ausarten, kommentiertdie Frankfurter Rundschau das Vorhaben der Europäischen Kommission das Urheberrecht zu harmonisieren und Google so daran zu hindern mit jedem Land einzeln Verhandlungen zu führen. "Anstatt sich also im Kampf gegen Google zu erschöpfen, sollte Europa, sollte Deutschland endlich mehr für seine kulturellen Bestände tun", merkt die Tageszeitung an. Denn, erstens gehe es nicht "um die unveräußerlichen Rechte eines (Künstler-)Individuums an seinen Hervorbringungen. […] Und zwar nicht nur deshalb, weil der Begriff des Autors als Künstler ins romantische Ideenarsenal des 19. Jahrhunderts gehört. Vielmehr haben wir es mit den legitimen Verwertungsinteressen großer und größter Medienunternehmen zu tun." Zweitens sei es "ein Armutszeugnis, dass Bibliotheken weltweit ihre Schätze Google zur Verfügung stellen, nur weil es für die Digitalisierung zu wenig öffentliches Geld gibt. Zwar lässt sich gegen Verwertung und Enteignung geistigen Eigentums trefflich schimpfen, doch offenbar lässt man "unsere" wertvollen Kulturbestände lieber im analogen Irgendwo verrotten." Die USA hätten vorausblickend gehandelt, da sie verstünden, dass Kultur und Sprache sich global nur in ihrer digitalisierten und damit allgemein zugänglichen Form bewahren werden.

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