Europas bornierte Buchhalter

Ein Drittel ihrer Mittel steckt die EU in den Versuch, die Kluft zwischen Arm und Reich in Europa auszugleichen. Aber trotz der Milliarden aus Brüssel haben die ärmeren Länder nicht aufgeholt. Könnten die 27 bitte umdenken, wenn sie den EU-Haushalt diskutieren?

Veröffentlicht am 22 November 2012 um 12:57

Wie immer die Verhandlungen über den EU-Haushalt auch ausgehen: Es ist recht wahrscheinlich, dass neben anderen Budgetposten auch der EU-Kohäsionsfonds in den kommenden Jahren etwas gekürzt wird. Gleichzeitig kann man aber davon ausgehen, dass diese Mittel, seit Jahrzehnten eine Säule der EU-Politik, im Großen und Ganzen erhalten bleiben. Weder an den Summen noch an den Strategien des vom Österreicher Johannes Hahn verwalteten Programms wird sich viel ändern.

Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen für eine Diskussion über die gesamte Kohäsionspolitik, die rund ein Drittel des EU-Budgets auffrisst. Zweck des sogenannten Strukturfonds ist es, die Unterschiede zwischen Arm und Reich in der Union zu verringern, indem in den weniger entwickelten Regionen die Produktivität gehoben und das Wirtschaftswachstum angekurbelt wird. Jahrzehntelang waren die größten Nutznießer die Südeuropäer - dass auch das Burgenland fast eine Milliarde Euro erhielt, war eher ein Zuckerl als Notwendigkeit. Seit der Osterweiterung hoffen nun auch die exkommunistischen Staaten auf den Geldregen aus Brüssel.

Doch so angenehm es für einzelne Staaten ist, wenn notwendige Infrastrukturprojekte von außen mitfinanziert werden, so miserabel ist die ökonomische Bilanz. Denn trotz aller Hilfen ist die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa nicht geschrumpft. Die ärmeren Länder sind zwar einige Jahre stark gewachsen, doch bei der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit haben sie nicht aufgeholt.

Strukturfonds

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Geld, das der ganzen EU zugute kommt

Warum mehr Geld von der EU verlangen, wenn man es nicht richtig ausgibt? Die Antwort ist bei den Autobahnen zu finden, erklärt die Website Gândul, die den Zustand des rumänischen Autobahnnetzes – und seine Finanzierung – mit der Lage in Polen vergleicht. In Rumänien gibt es nur 516 Kilometer Autobahn, davon wurde die Hälfte seit dem EU-Beitritt 2007 eröffnet. Im Vergleich dazu hat Polen, das bei der Inanspruchnahme von EU-Geldern führend ist, rund 1300 Autobahnkilometer gebaut und durch sechs Milliarden Euro EU-Mittel finanziert. In Warschau meint die Dziennik Gazeta Prawna dazu:

Wenn in unserem Land endlich eine vernünftige Infrastruktur gebaut wird, dann entstehen dadurch Verdienstchancen, nicht nur für die Polen, sondern auch für die europäischen Unternehmen. Das Geld, das in die Kohäsionsfonds investiert wird, kommt der EU im Ganzen zugute, nicht nur uns.

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