investigation Reportage Verbrannte Erde | Teil 1
Der tausendjährige Olivenbaum Sa Tanca Manna (Sardinien), der am 24. Juli 2021 durch ein Feuer zerstört wurde. | Foto: © Davide Mancini.

Brände und Entvölkerung in Südeuropa – ein Teufelskreis

Die Gebiete mit den höchsten Entvölkerungsraten in Südeuropa sind auch jene, in denen Waldbrände an Intensität und Häufigkeit zunehmen. So wie 2021 in Sardinien und auf der griechischen Insel Euböa, mit denen sich Teil 1 der Voxeurop-Serie zu diesem Thema in Italien, Griechenland, Spanien und Zypern beschäftigt.

Veröffentlicht am 16 Juni 2022 um 12:30
Der tausendjährige Olivenbaum Sa Tanca Manna (Sardinien), der am 24. Juli 2021 durch ein Feuer zerstört wurde. | Foto: © Davide Mancini.

Einleitung

Die Karte der Entvölkerung im Mittelmeerraum deckt sich weitgehend mit den von heftigen Waldbränden betroffenen Gebieten. Für Forscher, die sich mit Bränden und Klimawandel befassen, ist dies nichts Neues: Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren ist bekannt, wobei jedoch auch zahlreiche andere Faktoren zu berücksichtigen sind. Um den Zusammenhang zwischen Bränden und der Verödung ländlicher Gebiete zu verstehen, haben wir uns in die Orte Spaniens, Italiens, Griechenlands und Zyperns begeben, wo es im Sommer 2021 zu besonders verheerenden Bränden gekommen ist.

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Karte der Waldbrände in Europa und im Mittelmeerraum im Jahr 2021. Jeder Punkt steht für ein Feuer und seine Größe für die verbrannte Fläche. | Quelle: EFFIS/Copernicus EMS.

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Gesamte verbrannte Fläche in den EU-Ländern im Jahr 2021 (in rot) im Vergleich zum Durchschnitt des Zeitraums 2008-2020. | Quelle: EFFIS/Copernicus EMS.

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Teil 1. Italien und Griechenland 

Die Einwohner von Cuglieri waren stolz auf Sa Tanca Manna, ihren tausendjährigen Olivenbaum, der zum Symbol des Dorfes geworden war. Sechzehn Meter hoch und zehn Meter breit galt er als Keimzelle aller Olivenbäume in diesem für die Qualität seines Öls bekannten Gebietes im Nordwesten Sardiniens. Doch der Baum ist letzten Sommer gestorben. Er ist dem gewaltigen Feuer zum Opfer gefallen, das 2021 über die Landschaft von Montiferru hinwegfegte, dabei mehr als 20.000 Hektar Land verbrannte und die gesamte lokale Wirtschaft in die Knie zwang. 

"Die Flammen haben mehr als die Hälfte unserer Olivenbäume zerstört, und die Ernte im letzten Herbst betrug weniger als die Hälfte der Vorjahresernte", sagt Laura Cocco, 26 Jahre alt, Geschäftsführerin des Olivenölproduzenten Peddio, der zu den vielen Geschädigten der Region gehört. Viele haben neue Bäume gepflanzt, aber es wird Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern, bis sie wieder so produktiv sind wie die alten.  

Montiferru (Sardinien) im April 2022. | Foto: © Davide Mancini.

Der Brand von Montiferru ist einer von vielen, die im vergangenen Sommer in Italien gewütet haben, als das Land sein wärmstes Jahr aller Zeiten erlebte und dort viermal mehr Waldfläche zerstört wurde als im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts. Im übrigen Europa sah es nicht besser aus. Nach Angaben von Effis, dem europäischen Waldbrandinformationssystem, sind 2021 in der Europäischen Union mehr als eine halbe Million Hektar Land in Flammen aufgegangen - bis auf eine Ausnahme so viel wie noch nie in Europa, wobei der Mittelmeerraum am meisten gelitten hat.

Betrachtet man jedoch die Gesamtzahl der Brände an der Nordküste des Mittelmeers, so hat diese in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Was zugenommen hat, sind die sogenannten Megafeuer, d. h. Brände, die eine Fläche von mehr als tausend Hektar zerstören. Das Auftreten dieser neuen Brände ist eng mit dem fortschreitenden Klimawandel verbunden, der im Mittelmeerraum zunehmend günstige Wetterbedingungen für diese Brände schafft. Der Klimawandel steht aber auch in Wechselwirkung mit einem anderen Trend, der im gesamten Mittelmeerraum zu beobachten ist: der Zunahme der Waldfläche. 


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Noch vor einem Jahrhundert, als viele europäische Länder für den Bau von Gebäuden, Schiffen und Infrastrukturen auf Holz angewiesen waren, bedeckten die Wälder etwa 3 % der Fläche des Kontinents. Durch Aufforstung, Urbanisierung und die Produktion effizienterer Baumaterialien, hat sich der Prozentsatz heute fast vervierfacht. Im Mittelmeerraum, wo sich die Wälder seit den 1990er-Jahren um etwa 28 Prozent vergrößert haben, nimmt die bewaldete Fläche derzeit 21 % der Landfläche ein.

Besonders ausgeprägt ist die Zunahme in Italien, wo die Wälder in den letzten 80 Jahren um 75 Prozent gewachsen sind und fast die Hälfte der Landesfläche bedecken. Viele sind in Gebieten nachgewachsen, die nach und nach vom Menschen verlassen wurden, wodurch Landwirtschaft und Weidewirtschaft zum Erliegen kamen. Die Gemeinde Cuglieri zum Beispiel ist in den letzten zehn Jahren von 2.980 auf 2.500 Einwohner geschrumpft und hat damit 20 Prozent ihrer Bevölkerung verloren. In 3.805 Gemeinden Italiens - mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung - haben durchschnittlich 22 Prozent der Einwohner ihr Zuhause verloren. 44 Prozent davon liegen im Süden und auf den Inseln, in eben jenen Gebieten, in denen die Intensität und Häufigkeit der Brände zugenommen hat.

Aus diesem Grund ist es nach Ansicht vieler Experten manchmal irreführend, die Gesamthektarzahl, die Jahr für Jahr durch Brände vernichtet wird, als Maßstab für eine gute oder schlechte Waldbewirtschaftung zu nehmen. Francisco Moreira, Experte für Waldökologie von der Universität Porto, ist der Meinung, dass dieses Paradigma zu den beispiellosen Bränden der letzten Jahre beiträgt. Angesichts der neuen Megafeuer, erklärt Moreira, seien die derzeitigen Strategien, die im Wesentlichen auf der systematischen Löschung der Brände beruhen, äußerst ineffizient. 

Daher, so der Forscher, wäre es notwendig, "von einer Logik der Brandbekämpfung zu einer Logik der Abschwächung ihrer negativen Folgen überzugehen", wobei Maßnahmen, die die Entstehung dieser verheerenden Brände verhindern können, Vorrang haben sollten vor Investitionen in neue Löschflugzeuge- und Löschgeräte. 

 "Eins der größten Probleme für die mediterranen Wälder besteht darin, dass der ökologische Nutzen, der durch die Entvölkerung ländlicher Gebiete entsteht (z. B. durch Wiederaufforstung und eine dadurch erhöhte Kapazität zur Aufnahme von Kohlendioxid) nicht durch die negativen Folgen extremer Brände aufgewogen wird. 

Nach Ansicht von Andrea Duane, einer auf Brandmanagement spezialisierten Forscherin am Centre for Forest Science and…

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