Großbritannien

Murdoch vor den Parlamentariern

Veröffentlicht am 20 Juli 2011 um 13:37

„Murdochs demütige Ahnungslosigkeit“, titelt The Guardian, nachdem der Pressezar vor den Abgeordneten zum Abhörskandal, in den sein Medienimperium verstrickt ist, Rede und Antwort stehen musste. Die Tageszeitung aus London berichtet, dass „Rupert Murdoch am Dienstag trotzig betonte, dass er für die in seinen Worten „ekelerregenden und schrecklichen Eingriffe“ in die Privatsphäre von Politikern seitens seiner Firma nicht verantwortlich sei. Vielmehr sei er von unbekannten niederträchtigen Kollegen hintergangen worden. Von versteckten Abhörmethoden habe er nichts gewusst.“ Nach dem am Vortag mehrere Führungskräfte seiner Mediengruppe News International sowie der Londoner Polizeichef zurückgetreten waren und ein ehemaliger Murdoch-Journalist Selbstmord begangen hat, erklärte der Medienmogul, dass die Anhörung für ihn der „demütigste Tag seines Karriere“ wäre. Nichtsdestotrotz erinnerte er die Abgeordneten daran, dass das Sonntags-Boulevardblatt News of the World, welches nach der Enthüllung des Abhörskandals eingestellt wurde, nur 1 Prozent seines News Corps-Imperiums darstelle.

Die „demütige Ahnungslosigkeit“ dominiert die Schlagzeilen der britischen Presse. The Independent richtet sein Augenmerk dabei darauf, wie der Skandal auch Großbritanniens Premier David Cameron trifft. Der Regierungschef hatte zuvor den ehemaligen Journalisten von News of The World Andy Coulson, der direkt in die Affäre verwickelt ist, als PR-Berater beschäftigt. „Hacking-Krise rückt Cameron auf die Pelle“, schreibt die Tageszeitung aus London, nachdem bekannt wurde, das Neil Wallis, der vergangene Woche verhaftete ehemalige stellvertretende Chefredakteur von News of the World, vor den Wahlen im Jahr 2010 für Camerons konservative Tory-Partei gearbeitet hat. „In einem zweiten Schlag“, schreibt der Independent weiter, „wurde enthüllt, dass sein Stabschef Ed Llewellyn sich an Scotland Yard gewendet hatte, um sicherzustellen, dass bei einem Briefing in der Downing Street im vergangenen September, also vier Monate vor dem Scheiden Coulsons aus seinem Job, die Abhör-Affären nicht erwähnt werden.“ Die Vermutungen, dass der Premierminister über die Abhörmethoden von Journalisten, die er danach beschäftigte, informiert gewesen sei, stellen sein Urteilsvermögen zunehmend in Frage. The Independent notiert, dass „Loyalisten meinen, der Premier stehe immer isolierter da. Kabinettsmitglieder, darunter Schatzkanzler George Osborne und die Tory-Vorsitzende Baroness Warsi hätten es unterlassen, ihm Rückendeckung zu geben.“

Für The Daily Mail sei der „wahre Skandal, den die Parlamentarier ignorieren“, wie es in der Schlagzeile heißt, nicht die laufende Saga, oder gar die grotesken Szenen wie jene des Mannes, der Murdoch eine Rasierschaumtorte ins Gesicht warf und einen Schlag von dessen Frau Wendy Deng bekam. „Während Westminster an der Telefon-Hacking-Affäre herumwurschelt, stand gestern die europäische Wirtschaft in Flammen“, stöhnt das Boulevardblatt. „Um es noch schlimmer zu machen, kam gestern heraus, dass diejenigen, die die britische Wirtschaft quasi in die Knie gezwungen haben, also die Banker und Trader, in diesem Jahr Boni in Höhe von 1,4 Milliarden Pfund kassiert haben.“ Die Belegschaften in der Finanzbranche stellen 4 Prozent der britischen Arbeitskraft dar, strichen aber 40 Prozent aller Prämien ein. „Die Höhe der Prämien wird bei Millionen von hart arbeitenden Briten, die Tag für Tag schuften, um sich während der Krise über Wasser zu halten, für Empörung sorgen“, schreibt The Daily Mail und betont, dass manche der höchsten Boni von Banken in staatlichem Besitz, also somit vom Steuerzahler, gezahlt wurden.

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