Mit dem Wahlsieg Nikolićs, für den 49,5 Prozent der Wähler stimmten, enden zehn reformreiche Jahre. Europa gegenüber positiv eingestellt sei auch er, versicherte Nikolić so überzeugend wie möglich. Dabei stand gerade er dem Ultranationalisten Vojislav Šešel nahe, der vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) verurteilt wurde.
„Nikolić hat gewonnen“, kommentiert Danas das Wahrergebnis vom Vortag nüchtern. Die ganz offensichtlich überraschte Tageszeitung aus Belgrad hebt vor allem die erste Verlautbarung Nikolić' hervor die niedrige Wahlbeteiligung:
Mein Wahlsieg ist der Beweis für die göttliche Gerechtigkeit.
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Ebenso sachlich titelt Politika: „Präsident Tomislav Nikolić“. Neben der niedrigen Wahlbeteiligung macht das Blatt auch auf die Wähler aufmerksam, die einen ungültigen Stimmzettel abgaben (drei Prozent). Für die Tageszeitung aus Belgrad
zeigen die Wahlergebnisse, dass sich die Serben vielmehr gegen Tadić als für Nikolić ausgesprochen haben. Höchstwahrscheinlich muss die neue Regierung eine Kohabitation [mit einer oppositionellen Mehrheit im Parlament] eingehen, was ihre Arbeiten und Projekte verkomplizieren wird.
Ironisch berichtet Blić vom „diplomierten Präsidenten“ und spielt auf das Wirtschaftsdiplom an, welches dem neuen Präsidenten angeblich unter zweifelhaften Umständen von einer Privatuniversität verliehen wurde. Damit beruft sich die Zeitung auf die Untersuchungen des serbischen Sozialisten Ivica Dacić, der seit den Parlamentswahlen vom 6. Mai als Favorit für das Amt des Regierungschef galt. Laut Dacić muss
das Bühnenskript für die politische Bühne Serbiens nach Nikolićs Wahlsieg neu geschrieben werden.
Das Nachrichtenportal e-novine findet dagegen, dass der Sieg Nikolićs ein Schlag ins Gesicht der serbischen Gesellschaft ist. Tadić habe die Wahl vor allem deshalb verloren, weil seine Regierung seit vier Jahren keine konkreten Ergebnisse vorweisen könne, meint das Portal. Für e-novine:
hat Tadićs antidemokratisches und antikonstitutionelles Handeln das genaue Gegenteil bewirkt. Vor allem seine Arroganz, die Machtkonzentration, die gefügigen Medien (Blic, Kurir, B92), sowie der Versuch, zum dritten Mal Präsident zu werden.
Was die Wahlen angeht, nehmen die kroatischen Nachbarn dagegen kein Blatt vor den Mund. So kommentiert Jutarnji list das Ergebnis mit folgendem Titel: „Politisches Erdbeben in Serbien. Ehemalige Radikaler zum Präsidenten gewählt“. Die Tageszeitung aus Zagreb hebt hervor, dass
die Serben sich für einen Wechsel entschieden haben. Kann man [dem neuen Präsidenten] Glauben schenken, werde dieser aber nichts an der positiven Einstellungen gegenüber Europa ändern. Allerdings konnten seine widersprüchlichen Erklärungen und die Unbeständigkeit seiner politischen Überzeugungen nicht alle Zweifel ausräumen.
Scheinbar hat auch die EU keine Angst vor Nikolić. Dafür sprechen zumindest die Glückwunschbotschaften, die Brüssel dem neuen serbischen Präsidenten... bereits drei Stunden vor der Schließung der Wahlbüros sandte, ironisiert die kroatische Tageszeitung. Im Bereich der Regionalpolitik muss es auch nicht unbedingt zu einer Verschlechterung der Beziehungen mit Kroatien kommen, meint Jutarnji list. Schließlich habe
[Nikolić] von der Idee eines Großserbiens, an der er hing, als er Šešel nahestand, Abstand genommen.